Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
gönnte sie ihren jämmerlichen Anblick nämlich nicht. Vergeblich kramte sie in ihrem Resthirn nach dem Namen der netten Medizinerin, die Walburga erwähnt hatte.
»Sie haben Glück – Frau Doktor Königs Termine beginnen erst in dreißig Minuten«, erwiderte das Mädchen vom Empfang. »Soll ich sie gleich zu Ihnen raufschicken?«
»Ja, bitte«, ächzte Niki.
Sie ließ sich zurück ins Kissen fallen. Was war nur los mit ihr? Lag es an den emotionalen Achterbahnfahrten des vergangenenTages? Oder rebellierte ihr Körper jetzt komplett? All die Jahre hatte sie ihn mit bestem Essen versorgt und vor jedem Sport beschützt. War die Kur zu viel für sie? Ja, so musste es sein. Ein Nilpferd blieb eben ein Nilpferd. Man konnte keine Gazelle daraus machen. Schluss mit der ganzen Folter! Niki wollte jetzt nur noch einen starken Kaffee und drei Croissants mit einem Riesentopf Erdbeermarmelade.
Walburga war eindeutig schlauer als sie. Die hatte einen schönen Vorrat mit Schokolade und konnte sich aus ihrer Notfallration bedienen, wann immer sie wollte. Überhaupt – Walburga. Was für ein Naturereignis. Sie hatte Wolfgangs Code geknackt. Ohne ihn zu kennen, hatte sie es geschafft, ihn in seine Schranken zu weisen. Die ließ sich nicht so leicht unterkriegen. Von Walburga konnte man tatsächlich einiges lernen.
Es klopfte, und eine schlanke, dunkelhaarige Frau steckte den Kopf zur Tür herein. »Frau Michels? Ich bin Angela König. Was ist mit Ihnen?«
»Kommen Sie schnell«, flehte Niki, »ich kann nicht mehr.«
Schnell ging die Ärztin zum Bett und stellte ihren Arztkoffer auf den Nachttisch. Sie fühlte Nikis Puls, leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe in ihre Augen und zog ein Stethoskop aus dem Koffer, mit dem sie die Herztöne abhorchte.
»Ich habe rasende Kopfschmerzen«, schluchzte Niki. »Ich halte das alles nicht mehr aus!«
Beruhigend tätschelte Frau Doktor König ihr die Stirn.»Sie haben niedrigen Blutdruck, und Ihr Zuckerspiegel ist im Keller. Als Erstes essen Sie mal was.« Sie holte eine knisternde Zellophantüte aus ihrem Koffer und hielt sie Niki hin. »Das sind Buchweizenkekse mit Honig. Ich spritze Ihnen jetzt ein Kreislaufmittel und Vitamin B. Das wird Sie rasch wieder aufrichten.«
»O nein«, protestierte Niki. »Ich habe Angst vor Spritzen!«
Frau Doktor König lächelte verständnisvoll. »Das kommt öfter vor. Schließen Sie einfach die Augen. Es ist schneller vorbei, als Sie denken.«
Niki angelte sich einen Keks und schob ihn zwischen ihre ausgetrockneten Lippen. »Ich brauche kein Doping, ich muss dringend was essen! Was Richtiges! Bitte, könnte ich nicht vielleicht ein Croissant haben? Und einen doppelten Espresso?«
Doktor König schüttelte energisch den Kopf, während sie eine Spritze aufzog. »Der vierte Tag ist immer der schlimmste. Wir nennen es die Kurkrise. Ist ganz normal. Am besten, ich sage Ihre Anwendungen heute Vormittag ab. Ruhen Sie sich aus und gehen Sie vor dem Mittagessen ein bisschen spazieren. Die frische Luft wird Ihnen guttun.«
Niki wollte keine frische Luft. Sie wollte essen bis zum Darmverschluss! Vor ihrem geistigen Auge baute sich ein Frühstücksbuffet auf. Mit Rührei, gebratenem Speck und Rostbratwürstchen, mit frischen Muffins und einer wagenradgroßen Schwarzwälderkirschtorte. Dazu Trüffelleberpastete. Auf ihrer pelzigen Zunge bildete sich ein Pfützchen. Lecker. Das war das wahre Leben.
Bittend sah sie die Ärztin an. »Hunger!«
»Ich lasse Ihnen gleich eine warme Brühe aufs Zimmer bringen.«
Warme Brühe. Schon der bloße Gedanke daran erzeugte Brechreiz.
»Nee, danke«, murmelte Niki. »Besser nicht. Ich weiß sowieso nicht, ob ich das alles durchstehe.«
In Windeseile schob Frau Doktor König Nikis Nachthemd hoch und piekste die Spritze in den Arm. Niki wurde schwarz vor Augen.
»Ab morgen wird es besser«, versprach die Ärztin. »Wir haben da unsere Erfahrungen. Kommen Sie morgen Vormittag in mein Behandlungszimmer, dort werde ich Ihnen eine Infusion geben.« Sie begutachtete Nikis Fingernägel und sah ihr prüfend ins blasse Gesicht. »Ihnen fehlen Vitamine und Kalzium. Zu viel Fett, zu viel Zucker, zu viele Kohlehydrate. Das Übliche. Sie haben munter drauflosgefuttert, trotzdem sind Sie mangelernährt. Ironie der Völlerei.«
Sie verstaute das Stethoskop in ihrem Arztkoffer, die Kekstüte ließ sie auf dem Nachttisch liegen. »Essen Sie ruhig noch ein paar davon. Das bleibt aber unser kleines Geheimnis, ja?«
»Sie sind ein
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