Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
meint ihr, ich könnte einen winzigen Kaffee haben?«, fragte sie in die Runde.
Walburga, die vorn neben dem Fahrer saß, drehte sich grinsend um. »Nee, einen X-Large. Den gibt es heute auf Rezept. Frau Doktor Maletzke kümmert sich darum!«
Kaum hatte der Wagen das Klinikgelände verlassen, als Walburga den Taxifahrer an einer Tankstelle halten ließ. Sie stieg aus und kam kurz darauf mit vier Pappbechern zurück.
»Vier Becher voller Sonnenschein!«, rief sie.
Alle rissen gleichzeitig die Deckel ab. Wie das duftete! Kaffee! Echter Kaffee! Und obendrauf Milchschaum! Niki zögerte. Das war so was von unvernünftig. Aber viel zu verführerisch, um zu widerstehen. Sie setzte den Becher an die Lippen, und sofort durchströmte sie ein überirdisches Glücksgefühl. Wie hatte sie ihren geliebten Kaffee vermisst! Jede Zelle ihres Körpers tanzte, während sie hingebungsvoll das bittersüße Getränk schlürfte.
Walburga stürzte ihren Kaffee in einem Zug runter und wischte sich mit dem Ärmel ihres Sweatshirts einen Rest Milchschaum von den violetten Lippen.
»Gärtnerstraße fünfzehn!«, wies sie den Taxifahrer an. »Aber ein bisschen pronto, wenn ich bitten darf.«
Sie fuhren die Uferstraße entlang, die in die Innenstadt führte. Neugierig sah Niki aus dem Fenster. Zürich war wunderschön. Auf dem See zogen kleine Boote und blendend weiße Ausflugsdampfer ihre Bahnen, dahinter schimmerten bläulich die Berge. Die blankgeschrubbten Häuser hatten üppige Stuckfassaden, und die Straßencafés warenvoller eleganter Leute. Kaum zu glauben, wie viel Leben hier herrschte, im Unterschied zur gedämpften Stille des Vitalis.
»Stopp! Da vorn ist es!«, rief Tamara, als sie nach einer Weile in eine schmale Gasse einbogen.
Die Gegend war ziemlich düster. Sexshops und billige Elektronikläden lösten einander ab, auf dem Bürgersteig der sonst so sauberen Stadt lag Unrat herum. Ausgerechnet hier sollte sich ein guter Klamottenladen befinden?
Niki starrte freudlos vor sich hin. War es wirklich erst ein paar Tage her, dass sie zu Hause losgezogen war, um sich »was Schönes« zu kaufen? Die Szene mit Wolfgang und seiner Geliebten kam ihr wieder in den Sinn. Es tat zwar noch weh, doch nicht mehr ganz so sehr.
Sie folgte den dreien in einen eher unscheinbaren kleinen Laden. Die Boutique war vollgestopft bis obenhin. Kleider, Mäntel, Blusen und T-Shirts hingen dicht gedrängt an einfachen Kleiderstangen, auf mehreren Tischen waren Handtaschen und Modeschmuck ausgebreitet.
Unschlüssig stand Niki da. Ihr Herz klopfte, nicht nur wegen der ungewohnten Koffeinzufuhr. Die demütigende Szene in dem Designerladen war noch nicht vergessen. Es würde so enden wie immer: Für sie war nichts dabei. Abgesehen davon fehlte es ihr an Geld.
Walburga knuffte Niki in die Seite. »Worauf wartest du? Bedien dich!«
»Ich weiß nicht.« Ratlos hob Niki die Achseln.
Tamara und Alexis stöberten währenddessen schon in den Kleiderbergen und stießen spitze Schreie des Entzückens aus.»Hier, das ist es!« Tamara hielt Niki einen Bügel hin. Darauf hing ein Wickelkleid aus Jersey. »Der zarte Fliederton ist genau deine Farbe. Du bist ein Frühlingstyp. Probier mal.«
Niki nahm das Kleid und verdrückte sich damit in die Umkleidekabine. Flieder? Bestimmt sah sie in dem Teil aus wie ein zu groß geratenes lila Osterei. Dennoch zog sie es an und trat etwas unsicher aus der Kabine.
»Wow!«, staunte Walburga. »Wo ist die mausgraue Niki geblieben?«
»Und jetzt weg mit den grässlichen Gesundheitsschuhen Marke Plump und Trampel«, befahl Tamara. Sie stellte ein Paar beigefarbene Pumps vor Niki hin. »Dazu eine hübsche Kette, und das Outfit ist vollendet.«
Sie wühlte in Haufen von Modeschmuck und fingerte eine goldfarbene Kordel heraus, die sie Niki umlegte. Dann schob sie Niki zu einem altmodischen Schneiderspiegel, der sie von Kopf bis Fuß zeigte.
Niki erkannte sich kaum wieder. War das wirklich sie? Weich umfloss der schmeichelnde Stoff ihre üppigen Formen. Die Farbe bildete einen aparten Kontrast zu ihrem dunklem Haar und dem hellen Teint, und durch die raffinierte Wickeltechnik engte nichts ein. Das Kleid saß perfekt. Wenn doch nur Wolfgang sie so sehen könnte.
»Aber das ist bestimmt viel zu teuer«, flüsterte sie.
»Verhandlungssache«, befand Walburga knapp. Sie zeigte auf eine ältere Dame, die in der hinteren Ecke des Ladens saß und einen Pudel auf ihrem Schoß streichelte. »Das istdie Besitzerin. Schräg, aber
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