Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
lieber auf Malle feiern und mir eineSangria reinpfeifen, statt hier ein Horrorgeld fürs Hungern hinzulegen.«
Tamara erschien mit einer Flasche und vier Gläsern. Geschickt öffnete sie den Verschluss, und der Champagner perlte schäumend heraus. Er war so kalt, dass die Wände der Gläser leicht beschlugen.
»Auf unseren Sieg!«, brachte Alexis einen Toast aus.
»Auf die Dauer hilft nur Power«, erklärte Walburga. Sie legte ihre Füße in den goldenen Sneakers auf den Couchtisch. »Der Alphamann kommt so schnell nicht wieder.«
Sie prosteten einander zu. Langsam konnte Niki wieder lächeln. Wolfgang würde sich schon beruhigen. Er war ihr Mann, und sie hatten immer zusammengehalten. Aber Leo würde sie einiges erklären müssen. Beim nächsten Spaziergang. Oder am besten gleich heute Abend nach dem Essen. Das war sie ihm schuldig.
Wieder glitt ihr Blick durch die luxuriöse Suite. »Sag mal, Tamara, wird man nicht arm, wenn man in so was wohnt?«
Tamara strich sich durch die roten Locken. »Keine Sorge, arm bin ich schon. Das Geld ist weg. Mein Mann hat an der Börse gezockt, jetzt sind wir pleite. Doch meine Devise ist immer: Krachen lassen, solange noch was drin ist.«
Niki sah sie verständnislos an. »Aber wie machst du das mit der Bezahlung?«
Verschmitzt zog Tamara die Augenbrauen in die Höhe. »Ich verticke mein Geschmeide aus besseren Zeiten. Was denkst du denn, warum ich dekoriert wie ein Weihnachtsbaumdurch die Gegend laufe? Einen Smaragdring bin ich schon losgeworden. Für dreitausend Euro.«
So lief das also? Niki hatte sich gründlich in Tamara getäuscht. Sie war gar nicht das übersättigte Luxusweib, sondern eine ausgebuffte Spielerin.
»Einmal die Woche veranstaltet sie eine ›Stilberatung‹ im Kaminzimmer«, erzählte Walburga. »Darauf sind sie alle scharf. Langweilen sich doch zu Tode, die Damen hier. Denen biegt Tamara dann was über die richtigen Farben bei, Sommertyp und Wintertyp und der ganze Bullshit.« Sie zeigte auf ihren giftgrünen Jogginganzug. »Wie du siehst, bin ich noch nicht drauf reingefallen.«
Jetzt mischte sich Alexis ein. »Also, mir hat sie das Leben gerettet. Ich trug immer braun und beige, obwohl das Gift für meinen Teint ist. Ich bin der Wintertyp. Seit ich kühle Farben wähle, kommt meine Aura viel besser zur Geltung.«
Die Aura. Aha. Allmählich wurde Niki neugierig. »Und ich? Was sollte ich so tragen?«
»Auf jeden Fall nicht dieses Feuermelderrot zu Beerdigungsschwarz«, antwortete Tamara. »Wenn du willst, kriegst du eine Gratisberatung.«
Niki überschlug im Kopf ihre Barschaft. Sie hatte noch hundert Euro, der Rest Haushaltsgeld für diesen Monat. Ihr letztes Geld.
Sie verknotete ihre Finger ineinander. »Äh, mein Mann hat die Kreditkarte gesperrt. Meinst du, ich könnte für hundert Euro irgendwas bekommen, was mich anziehender macht?«
»Zweihundert Euro«, verbesserte Walburga. »Schon vergessen?Bei der vorbildlichen Zahlungsmoral deines Gatten ist ein Hunni rausgefluppt. Der wird in deine textile Runderneuerung investiert!« Sie reichte Niki den Hunderter.
»Es gibt da einen tollen Secondhandshop hinter dem Bahnhof«, sagte Tamara. »Lust auf Power-Shopping? Wir könnten morgen Mittag einen Ausflug in die Spaßzone machen.«
»Aber dreh ihr bloß nicht den Reiche-Witwen-Look an«, warnte Walburga. »Sie braucht was Saufreches. Besser gesagt: eine Wagenladung Sex!«
Leo fehlte beim Abendessen. Niki blieb so lange am Tisch sitzen, bis sich der Speisesaal geleert hatte. Als Fräulein Rottenmeier schließlich demonstrativ die Lichter ausknipste, erhob sie sich. Hatte Leo auf seinem Zimmer gegessen? Mied er sie? Vielleicht hatte er den Vorfall im Foyer doch nicht so locker weggesteckt wie angenommen.
Unruhig wanderte Niki durchs Hotel. Im Vortragsraum lief ein Abschreckungsfilm über Junk Food, in der schummrigen Kellerbar hockten ein paar Gäste bei Kräutertee. Von Leo keine Spur. Und nun? Sie machte sich auf den Weg zur Bibliothek. Wenn Leo als klassischer Bücherwurm irgendwo Zuflucht gesucht hatte, dann dort.
Erwartungsvoll öffnete sie die Tür, doch die Bibliothek war leer. Tief atmete sie den herrlichen Geruch von Büchern ein. Es war der vertraute Duft ihrer Kindheit. Damals hatte sie sich in der öffentlichen Bibliothek regelmäßig mit Lektüre versorgt, um dann stundenlang zu schmökern.
Der Raum sah einladend aus. Auf dem weinroten Teppichstanden weiche Sessel in Moosgrün, daneben jeweils eine Leselampe aus Messing.
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