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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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braucht weder Training noch besonderen Einblick, um zu begreifen, dass er sich nicht unbedingt daran erinnern will, wie eingeseifte Haut unter Hightech-Duschen gleitet, wie warmes Wasser verwöhnt und kaltes reizt, und das Spreizen und Hocken und In-den-Mund-Nehmen, die lachhafte, endlose Sauberkeit des Schmutzigseins – von Freitagabend bis zum Auschecken am Montagmorgen strengen sie sich an, erregt, gespannt, steif, angemessen verblüfft zu bleiben, um sich vor ihrem wahren Selbst zu verbergen und nur ein Fick zu sein. Drei Nächte lang eine heiße Nummer sein, so tun, als sei man das kleine Geschenk eines Fremden.
    Und das wird ihm wehtun, also sollte er es nicht denken, und es ist in Ordnung, seine Gedanken zu ändern, wenn ihn das vor Schmerzen bewahrt.
    »Galway – das war nett.« Aber er verschließt sich wieder.
    Also fang ihn auf, lenk ihn.
    »Ja. Galway mochten wir – und unten im Tanzsaal spielte eine Band, und es war kaum zu glauben, dass man so schlecht spielen kann … und so laut.« Sie klingt so beiläufig, wie sie kann, während der Boden sich unter ihren Füßen windet.
    Er schiebt sich einen Millimeter heran, so dass er sie wieder berührt. »Wahrscheinlich waren außer uns alle unten im Tanzsaal oder Veranstaltungsraum oder wie es hieß – bei der Hochzeit. Wir waren die Außenseiter.«
    »Wie immer.« Und sie versucht, das wie etwas Gutes klingen zu lassen.
    »Wie immer.« Und er nimmt ihm alles Gute.
    »Wir sind eher die Flitterwochen.«
    Und das ist genau das Falsche, Falsche, Falsche.
    Anfängerin.
    »Wir sind überhaupt kein bisschen Flitterwochen.« Er rückt von ihr ab und hustet. »Entschuldige, ich will nicht die Fassung verlieren, und ich will nicht über so etwas reden. Aber Menschen in den Flitterwochen sind zusammen, und wir sind das nicht, also bitte beleidige mich nicht mit solchen … Mir ist klar, dass du mir gern wehtust, und du hast deine Gründe, und ich habe meine eigenen Gründe, mir wehzutun, und die sind besser als deine – ich kenne mich besser – aber bitte, lass es sein.«
    Ein Zucken in seinen Schultern, als hätte ich ihn geschlagen, was ich niemals tun würde – außer das eine Mal, was ich bereue – und streiten wäre jetzt tödlich – können wir nicht – kann ich nicht – aber plaudern – zurück zum entspannten, behaglichen Plaudern – er muss sich entspannen und wohlfühlen – dann können wir tun, was wir tun müssen.
    »Sie haben Coverversionen von den Blues Brothers und den Commitments gespielt … ich glaube, sie haben drei- oder viermal ›Mustang Sally‹ gespielt – ziemlich oft.«
    »Oft reicht, Beth. Lass die Scheißzahlen weg, davon kriege ich Kopfschmerzen.«
    Konzentrier dich, konzentrier dich, gib ihm das Richtige.
    Und Liebe und Liebe und Liebe und ein sanftes Lächeln.
    Und: »Also keine Zahlen. Tut mir leid. Wir sind aufgestanden und haben getanzt. So viele Schichten Fußboden und Teppich, dadurch war die Musik gefiltert – immer noch nicht toll – aber aus der Entfernung erträglich, und … es war so wie damals, als du gerade aufgehört hattest mit der Handschuhnummer, dieses ständig Eingepacktsein – vor Ewigkeiten … Du warst so … als wärst du nicht daran gewöhnt – an Berührung … und deine Haut war … fühlte sich …«
    Ich habe mir eine ganze Rede zurechtgelegt – dass da ein anderer Mann in ihm steckt, der immer tanzt, und der zeigt sich, nicht ganz und auf einmal, aber er ist da: in den Schultern, oder im Schwung eines Arms, oder im Federn des Ganges, diese Melodie, die unter Arthurs Gang liegt, und er ist da, wirklich da, dieser glückliche Mann, dieser wahrhaft glückliche Mann, und ich liebe ihn und habe in Galway mit ihm getanzt – mit fast dem ganzen Mann.
    Zu lang.
    Nimm einfach seine Hand und gib ihm die zusammengefasste Version.
    »Du warst blendend. Irgendwie blendend.«
    »Das klingt unwahrscheinlich.« Doch er lässt zu, dass sie die Lücke wieder schließt, eine geisterhafte Berührung, eine Einladung, Hüfte an Hüfte, und als sie mit der Hand Arthurs Rücken glattstreicht, hört man sein Rückgrat durchs Hemd, und dieses Stechen, diese Art von Kontakt packt sie – er ist gewöhnlich schlank, aber jetzt ist er dünn, ausgemergelt – und in gewisser Weise ist das absolut entsetzlich. Zu viel von seinem tragenden Gerüst schimmert durch.
    Und da ist seine Wärme, seine Absicht unter ihren Fingern – Muskeln, Rippen, Gedanken – ihre Anstrengung, Verlangsamung, Anpassung, ehe er sagt:

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