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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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gefallene Frau.
    Beim Weitergehen wird sie vom Leben des Schiffes bearbeitet, dessen Bewegung sie schwerer und dann leichter macht, ein langer, langsamer Rhythmus, als würde etwas an ihren Knochen entlangjagen, die Gedanken herausdrücken, die sie nicht will.
    Derek könnte wach sein, vielleicht erholt er sich.
    Ich weiß nicht mal, wie spät es ist.
    Es ist lächerlich, dass sie so von einem Steward gefunden werden könnte und sich erklären müsste, was beschämend wäre.
    Ich möchte mich nicht schämen.
    Also sollte ich nicht zu Arthur zurückgehen.
    Menschen, die sich nicht schämen wollen, sollten nichts Beschämendes tun.
    Und der Fußboden, die Wände, die Decke verschieben sich weiter, und ihre Gedanken verschieben sich ebenfalls, verlaufen, erschauern, bis plötzlich etwas einrastet, stillsteht – vielleicht erschöpft – und sie denkt, so ist es, er zu sein, Arthur – ein Mann, der so erfüllt ist von allem, dass er auf dem Trockenen zuckt und um sich schlägt, nicht geeignet für stabile Verhältnisse, doch wenn man ihn ins Chaos wirft, ist er ein Stück Frieden.
    Wenn ich gut genug er sein könnte, könnte ich vielleicht ohne ihn zurechtkommen. Ich könnte so tun als ob und in Sicherheit sein.
    Quatsch.
    Ich will ihn küssen.
    Es ist nicht kompliziert.
    Das will ich.

EINEN MANN, DER in einem Türrahmen steht.
    Der Mann sollte Arthur sein, aber Arthur hat andere Arrangements getroffen.
    Steht auf Arrangements – Überraschungen für alle außer Arthur.
    Als sie an der Tür klingelt, wird ihr Arthurs angemessen beeindruckende Kabinentür von einem Mann im Smoking geöffnet, der außerdem weiße Handschuhe und ein Namensschild der Reederei trägt – Narciso . »Guten Abend, Miss.«
    Arthur ist der Mann im Wohnzimmer, der auf einem Sofa sitzt, das seinen langen Knochen nicht genug Platz bietet. Er konzentriert sich auf seine Bücherregale – auf dieser Ebene halten die Unterkünfte Bücherregale inklusive Bücher bereit – und jetzt erzählt er einer willkürlichen Auswahl von Reiseführern und Ferienkrimis: »Das ist Narciso – mein Butler, gehört zur Suite. Und ist sehr gut.« Arthur schlängelt seinen Arm unters Knie, runzelt die Stirn. »Ich denke, er wird bleiben. Kann uns Dinge servieren. Leckereien. Champagner.« Art trägt Jeans und ein sehr frisches Hemd von der Farbe seiner Augen, eine einleuchtende Wahl: nicht unattraktiv, betont seine Hautfarbe nicht – den bleichen Schock seiner Haut; besser, das Blau hervorzuheben, mit dem er sieht, dessen Ausweichen und plötzliches Scharfstellen. Das ist keine Arbeitskleidung – der Gedanke dahinter ist eher, dass er sich bemüht, nicht bemüht zu wirken – und doch formell genug, dass er sich entspannen kann. Das Hemd wird für ihn gefertigt worden sein, von irgendwas Doppelnamigem – Payne & Hackett, Needham & Markham, Markham & Dunne – ein Geschäft mit verdammten Familiennamen.
    »Sie versuchen mir Champagner anzudrehen, seit ich an Bord gegangen bin, aber ich möchte keinen, weil er zum Feiern ist und ich nicht feiere.« Während Arthur redet, lächelt Narciso wie ein Mann, der nur halb zuhört und an Exzentrik gewöhnt ist. Er führt Beth zu einem Platz und stellt sich hinter ihre Schulter.
    »Wir verstehen uns. Wir verstehen uns doch, Narciso? Wir stehen uns so nahe, wie ein gemieteter Butler und sein nicht richtiger Arbeitgeber sich nur stehen können, und wir haben keine Geheimnisse voreinander. Also kann er bleiben. Ich finde, er sollte bleiben. Was meinst du?« Er wendet sich zu ihr, blinzelt und ist etwas außer Atem. »Wir könnten fernsehen.«
    Und Beth fühlt sich so, wie es beabsichtigt ist – beleidigt und ein bisschen elend – und sie schnauzt zurück: »Oder du und Narciso könntet fernsehen, und ich könnte euch in Ruhe lassen.«
    Arthur spult eine demonstrativ unbeteiligte Folge von Achselzucken und Schniefen ab. »Das könnten wir, tatsächlich …«
    Und das Meer ist dunkel und zerrissen vor den Fenstern, und das Wetter wirft sich auf dem Balkon herum, der im Sommer perfekt geeignet wäre zur Bewirtung von Gästen, gegenwärtig jedoch nutzlos ist. Beth sieht den Regen übers Glas streifen und zittern, während die Stille sich verdichtet, und was hat sie anderes erwartet – dass er geradeheraus erfreut wäre, sie zu sehen, und dass alles einfach wäre und nicht möglicherweise die allerletzte ihrer letzten Chancen?
    Narciso schreitet gemessen in Richtung der winzigen Küche, kehrt mit einem noch winzigeren Schälchen

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