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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Wohl, weil sie selbst leicht unterkühlt ist – sie hat ihren Mantel nicht an – überrascht sie seine Temperatur, die Wärme, die in seinem Pullover hängt. Er küsst sie auf den Scheitel, was sie erschauern lässt. »Hallo.«
    »Margery? Nein … nicht besonders viel …«
    »Sie bezahlt zwei von diesen … das sind vierstellige Kabinen hier. Die kostet zwei Riesen. Zwei Mal zwei Riesen.« Derek sagt gern solche Sachen – indirekte, respektlose Bemerkungen über Geld, als verstünde er was davon und sei nicht zu beeindrucken.
    Nicht dass er nicht selbst Geld hätte. Ein vermögender Mann, unser Derek. Und alles aus eigener Kraft, er nimmt es nicht als selbstverständlich hin.
    »Es war aber keine große Geste, oder? Sie hat nicht Krebs oder so was – und will dir alles vermachen?«
    »Sie ist meine Freundin, Derek. Ich habe mir schon genug Sorgen gemacht, als sie absagen musste. Ich habe wirklich keinen Bedarf, dass du solche … herzigen Einfälle beisteuerst.«
    »Entschuldige. War ein Witz. Tut mir leid. Wirklich.« Er schaut sie an, bis sie ihm zeigen kann, dass ihm vergeben wurde. »Wirklich.«
    »Ihr Mann – ihr zweiter Mann – der hatte Geld. Und dann ist er gestorben. Er war älter … Und … sie hat nicht so viele Freunde. Und sie, ähm … mag mich.«
    »Ah, verstehe … und mich auch.« Derek drückt ihre Taille und deutet damit an, dass sie später miteinander schlafen werden, unter der senfgelben Bettdecke, in ihrer sand- und senffarbenen und – muss man so sagen – ziemlich siebziger-Jahre-mäßigen Behausung, die sich nicht bewegt, jedenfalls nicht absolut – sie neigt oder wiegt sich nicht, sie kriechen schließlich immer noch bloß den Solent entlang – aber dennoch, die Wände, der Fußboden, ihre Umgebung ist unverschämt lebendig vom Motorendröhnen, und darunter ein ganz, ganz schwaches Nachgeben, ein Schwanken, wie eine leichte Angst – oder eher ein Necken, ein Versprechen auf Überraschungen in den kommenden Tagen.
    Januar auf dem Atlantik – wir müssen doch verrückt sein.
    Derek küsst sie wieder, feuchte Wärme an ihrem Hals. »Ich wette, ich mag dich mehr als sie …«
    Sie fragt sich, wie kalt sie sich wohl für ihn anfühlt, wie eigenartig. »Ihr mögt mich beide auf verschiedene Arten …« Ihr Haar flattert, unerfreulich gestört – es schmerzt leicht, als es an ihre Wange schlägt. »Seit dem Ehemann hat sie tatsächlich Geld, glaube ich. Allerdings nicht ihr Geld. Na ja, es ist schon ihrs, seit … Also … ja. Sie ist wohlhabend.«
    »Aber schade, dass sie dann selbst nicht mitkommen konnte – ich hätte sie gern kennengelernt. Wo sie doch mit dir zur Schule gegangen ist – sie kennt bestimmt Geschichten …«
    »Aber nicht solche Geschichten.«
    »Geschichten über Liebhaber …« Er setzt die Worte dicht an ihr Ohr, wo sie flackern, stupsen.
    »In der Schule hatte ich keine. Nicht mal einen Freund.«
    »Ach ja. Dieses Spätzünder-Gerede habe ich noch nie geglaubt. Ich glaube, da bist du bloß bescheiden.«
    »Es gibt genug, worüber ich bescheiden sein könnte.« Sein seltsames Verlangen gelegentlich, sie als sexuell hemmungslosen Teenager hinzustellen – Schmollmund und Schuluniform und alles. Manchmal ist das ganz süß, manchmal bloß nervig und fast krankhaft. »Mein Vater wollte, dass ich gut in der Schule bin. Also war ich es.«
    »Du hast immer gemacht, was dein Vater gesagt hat …«
    »Immer.«
    Nicht absolut immer, aber das wollen wir an dieser Stelle nicht vertiefen.
    Derek fängt an, sie nach drinnen zu drängen, und sie lässt sich davon beruhigen, dass sie ihm die Kontrolle überlässt, geht hinein und wird von der grauenhaften Einrichtung überrumpelt, von der seemännisch kompakten Ordnung und Enge, vom praktischen Mangel an Krimskrams, der das Risiko von Schäden bei rauer See verringert. Die Wirkung ist klaustrophobisch, aber zugleich liebenswert.
    Derek setzt sich auf das winzige Sofa, die Beine größtenteils aufs Bett gerichtet, um dem kleinen Tisch auszuweichen; seine ganze Gestalt leicht komprimiert, da sie nach anderem Maßstab gefertigt ist. »Ist aber nicht fair …«
    »Was?«
    »Dass sie dir die Mitreise bezahlt – uns beiden – und dann selbst nicht fahren kann. Meinst du, sie hat den Preis erstattet bekommen?«
    »Habe ich sie nicht gefragt … Aber es lässt sich ja nicht ändern – wenn es das Herz ist, dann muss man … na ja – es sich zu Herzen nehmen. Entschuldigung.«
    Ich hasse Doppeldeutigkeiten – wenn man erstmal

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