Das blaue Buch - Roman
Gott helfe dir – es wird außerdem Bewunderung, Zärtlichkeit, Anteilnahme sein – diese quälende Liste von Notwendigkeiten, die unbedingt zum Liebe machen gehören.
Ihr werdet Liebe machen .
Du bist verliebt .
Warst du noch nicht, als er im Türrahmen lehnte.
Dann kam er hier herüber, und du warst es.
Du bist es.
Es ist nicht fair.
Das ist scheißungerecht.
Denn du weißt, was das bedeutet.
Du wirst dich mit ihm niederlegen und nackt sein – nicht auf dem Weg zu den üblichen Tätigkeiten und aus praktischen Gründen ausgezogen – nein, du wirst unumkehrbar nackt, entkleidet, abgeschält sein – nur noch Haut und Zucken und Reden, und dann bricht – Scheiße – Ehrlichkeit aus, und dann gerätst du aus den Fugen, denn du wirst ihn nicht verlassen, solange er schläft, wirst nicht wegschleichen und nie wiederkommen, und du wirst auch nicht so tun, als ob du erwartest, dass er dich nachts mit dem Kissen erstickt oder dass du später mit Kopfverletzung und ohne Schuhe in einem Steinbruch aufwachst. Und du wirst auch am Morgen nicht ganz brutal und locker sagen, dass du ihn anrufst . Du wirst bewusstlos in der fast unerträglichen Gnade seiner Arme ruhen, du willst dieses Vertrauen, du magst es – du wirst dich strecken und in den Tag drehen, wirst mehr davon wollen, dazu Fragen, und zartes Lächeln, und Flüstern, falls er noch nicht wach ist, allerdings ist er wach – wieso solltest du sonst mit ihm reden? – er ist wach und hört zu und flüstert selbst, und ihr flüstert beide weiter, damit ihr einander träumen könnt und noch nicht ganz in der Welt seid.
Und dann werdet ihr frühstücken, wenn es schon Zeit zum Mittag ist.
Und wie viel ihr plötzlich und unvorhersehbar zu tun haben werdet: Beiderseitige Vorlieben, Angewohnheiten, Enttäuschungen, Ticks auswendig lernen – und ihr werdet – nein, ihr müsst – weiß Gott – über Zukunft und Katzen diskutieren, oder Hunde, oder ein Baby, das man vor dem Supermarkt klauen könnte – ein eigenes zu machen, dafür wird euch wohl die Zeit fehlen – und wenn nicht das, dann solltet ihr sicherlich über Teppiche und Vorhänge und Unterkunft nachdenken, über Gärten, Wohnungen, Mieten, Hypothekenkredite, Lebensversicherungen, Testamente – und wenn er nun vor dir stirbt? – das würde dich mitnehmen – und die Planung, wie viele beim Hochzeitsfrühstück dabei sein sollen – allerdings wollt ihr vielleicht auch etwas Schnelles, eine stille Zeremonie, mit dem Taxifahrer, der euch hingefahren hat, als praktischem Trauzeugen – ich meine, warum nicht? – könnte doch passieren – schrecklich, aber wirklich möglich – dabei, Herrgott, willst du bestimmt nicht heiraten, doch nicht du – Ehe , das ist eine Institution – seit wann willst du dein Leben in einer Institution verbringen? – diese ganze Sache nimmt dich auseinander, arbeitet dich um in etwas anderes – und das bedeutet, dass er in Wirklichkeit jemand andern heiraten wird, und wie sollst du damit bitte fertigwerden? – allein die Eifersucht könnte dich umbringen – und die drohenden Lasten und Verantwortlichkeiten, die Klaustrophobie, der Schock, die sind alle mit im Zimmer, wie Altöl, das dir bis zur Brust steigt – so sollte es nicht sein, solltest du nicht sein, denn du liebst ihn, besser wirst du es nicht treffen, mehr wirst du nicht lieben, und das sollte doch wohl nicht die Garantie mit sich bringen, dass das Zusammensein mit ihm dir mehr Angst einjagt als das Sterben – noch mehr, als wenn du vor ihm sterben würdest, was ihn mitnehmen dürfte.
Er darf nicht der Mann sein, den du nie kriegen wirst, allein aus dem Grund, weil er so vorherbestimmt scheint, weil er Vollkommenheiten besitzt, weil er dein Warten beendet, weil er dein Rückgrat öffnet, ohne dass es wehtut.
Also wirst du, auch wenn du darum flehst, nicht wegrennen.
Du bleibst, und du kannst neben ihm stehen, dein Handrücken so dicht an seinem, dass du ihn spüren, ihn lesen kannst, die herrlichen Argumente seines Blutes, und du zitterst und tust nichts, und es ist gut.
Außer.
Dann füllen sich deine Lungen mit der Pflicht, sich so anziehen zu müssen, dass es jemand anderem gefällt, und umgekehrt – was dir nicht die Luft nimmt, aber ungewohnt ist, eigenartig – und dann geht ihr zusammen ins Kino, was ihr irgendwann probieren müsst, so was sieht man dauernd, das ist vollkommen normal, aber irgendwie auch bedrohlich – und ihr wollt ein Sofa kaufen, denn das tun Liebespaare – und ihr
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