Das blaue Buch - Roman
Zeichen erkennen, näher treten, sie würde umarmen und umarmt werden. Trauer sickert aus ihr, steigt in Wolken auf, treibt weg.
»Er hat es Ihnen gesagt.«
Sie nickt, das Nicken eines kleinen Mädchens, ganz folgsam und lauschend.
Der Mann drückt sein Rückgrat durch, erweitert seine Aufmerksamkeit auf den ganzen Raum. »Wir müssen jetzt zum Ende kommen.« Er sieht, wie sie das zittern macht. Natürlich, das war zu erwarten. »Doch wenn er mich mehr für Sie wissen lässt, werde ich es Ihnen später erzählen.« Fest blickt er sie an, wartet, bis sie den Blick hebt, und schaut noch fester, bis sie sich wieder setzt und der Mann zu seinen Schlusssätzen kommen, seine Vorstellung abrunden und abschließen kann.
Er ist ein wenig zu schnell, als er in die Kulissen geht.
Und er wird ihr hinterher nichts erzählen.
Er wird sie nicht sehen.
Er wird den Büroausgang benutzen und in seinem Wagen sitzen und fort sein, ehe sie nach draußen kommt. Kein Rendezvous im Regen am Bühneneingang.
Der Mann hat das Gefühl, so ist es das Beste.
Er möchte ein guter Mensch sein. Er möchte den richtigen Weg finden, das Falsche zu tun.
ES GIBT EIN Feuerwerk.
Natürlich.
Es muss ja ein Feuerwerk geben.
Elizabeth steht auf dem Balkon ihrer Kabine.
Sie hat einen Balkon .
Überhaupt: Sie ist in einer Kabine – und beobachtet nur leicht beeindruckende Sprühregen aufwärts schießender Farben, Detonationen, gespreiztes Feuer. Ohne eine Zuschauermenge wirkt es recht eigenartig, wenn nicht traurig. Derek schenkt dem Ganzen keine Beachtung – er ist drinnen und packt aus, verstaut ihre Sachen – oder nein, jetzt sieht sie, dass er auf der Bettkante sitzt und eine Rettungsweste in der Hand hält, sie anschaut, als könne sie ihn nicht beruhigen.
Elizabeth weiß, wie er sich fühlt.
Notfallübung für Passagiere – würde einem Todesangst einjagen, so was. Plappernde Horden sichtbar zerbrechlicher Rentner, Paare, die aus ideologischen Gründen niemals irgendwohin zu Fuß gehen – sich aus eigener Kraft bewegen heißt, seine Klasse zu enttäuschen – und doch sind sie auf den Beinen und schwanken herum, praktisch ein allgemeiner Selbstmordpakt – jede Treppe so was wie ein Unfall im vollen Gange, eine Zeitlupeneinladung zu Quetschungen und gebrochenen Hüften – und niemand kommt irgendwohin, es wirkt einfach nur wie eine Massenentlassung verwirrter Seelen.
Und ich mittendrin – hat keinen Zweck, sich was vorzumachen – ich bin mehr als verwirrt, es gefällt mir sogar, dass in meinem Kopf nur Nebel ist, weil ich mich dann nicht darum kümmern muss, mit keinem Teil meines Scheißgehirns fertigwerden muss. Ich brauche nur festzusitzen und Fremden zuzuschauen, wie sie zu einer Masse gerinnen, während die Worte vorüberstürzen.
Abgelenkt.
Genau, was ich suche.
Genau, was ich bin. Ziemlich.
Außer diesem kleinen Bisschen – das ist zu dicht an der Oberfläche des Bewusstseins, muss also ein Ende haben.
Also.
Da war ich also, mit Derek, und Derek mit mir, und wir hatten beide die ungeschriebenen Regeln für solche Gelegenheiten missachtet und uns nicht schick gemacht wie für eine Cocktailparty mit Option auf späteres Ableben. Derek sah vielmehr aus, als sei er gerade vom Jäten hereingekommen, oder vielleicht von leichteren Heimwerkerarbeiten, irgendwas Elektrisches, und ich hatte meine aktuelle, einigermaßen schicke Hose an, aber einen schlampigen Pullover, aus dessen Kragen entschuldigend eine schwächliche Bluse lugte, und grässliche Schuhe – noch dazu hatte die Seeluft meine Haare gekräuselt. Rote Schuhe und eine Amateurclownsfrisur, begleitet von einem zufällig anwesenden Handwerker – man warf uns Blicke zu – in eine Ecke gedrängt mit flächendeckendem Todschick und Tweed, während andere Lotterseelen sich zweifellos unbemerkt mittreiben ließen.
Und diese Typen in ihrer Lässige-Eleganz-Garderobe, die wollten eindeutig rempeln – ganz offensichtlich wollten sie ihre Frauen vor sich herschieben wie herrlich duftende, duldsame kleine Schneepflüge, doch sie konnten nicht – oder vielmehr waren sie nicht sicher, ob sie sollten – sie waren in einem echten Zwiespalt, ob sie sich durchdrängeln sollten, weil sie von der Sorte waren, die eigentlich immer und überall gewinnen und überleben müssen, aber das Schiff ging ja gar nicht wirklich unter – lag sogar noch vor Anker – noch stand nichts auf dem Spiel, jedermanns Status war noch nicht klar definiert, es bestand eindeutig Gefahr,
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