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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sich beide von der Wand lösen, miteinander in den großen grauen Gedankenwirbeln des Meeres schwanken und balancieren. »Ich habe nicht gelogen, Beth. Ich lüge dich nicht an.« Und er lässt sie sehen, dass er aufgibt, dass er nicht mehr kämpfen wird – dass sie gewinnen kann, wenn sie will. Es wird keinen Streit geben.
    Er wird sich geschlagen geben, wenn sie will. »Ich habe gesagt, dass mir die Reise ohne dich keine Freude machen würde, Beth. Ich habe gesagt, es würde mir keine Freude machen, wenn du mit ihm zusammen bist. Und das stimmt: Es macht mir keine Freude, aber warum sollte man annehmen, dass ich irgendwas nicht tue, weil es mich schmerzt – wieso sollte man ausgerechnet das annehmen?«
    Und sie würde gern nach ihm greifen, kann aber nicht, weil seine Hände entschlossener zupacken, und weil sie sowieso nicht sollte.
    »Ich habe nicht definitiv gesagt, dass ich nicht an Bord gehen würde, Beth … und Herrgott noch mal , was erwartest du eigentlich von mir …« Und er blinzelt, schwer zu erkennen, aber doch so deutlich, dass man glauben könnte, er würde gleich weinen.
    Nein. Nicht weinen. Das würde er nicht zulassen, nicht wenn ich bei ihm bin und zuschauen muss; viel zu wirksam, es je einzusetzen. Zu so etwas würden wir uns nie herablassen.
    Das wäre der schlimmste Trick, den er aus dem Ärmel schütteln könnte.
    Oder gar kein Trick.
    Und vielleicht ist es auch gar kein Trick.
    Weil er Wert darauf legt, nicht völlig zusammenzubrechen, und sich unsympathisch macht, sie abwehrt. »Ich kann ihn an dir riechen. Ich rieche seinen langweiligen kleinen Schwanz.« Er studiert ihre Miene und lässt sie dann los, scheint befriedigt, drückt sich die Handballen auf die Augen und reibt. Sie sollte jetzt gehen. Sie weiß, er würde sie gehen lassen, aber sie hat schon angefangen: »Art, ich ertrage das nicht. Derek ist ein guter Mann. Ein verlässlicher Mann. Er tut keine abscheulichen Dinge.« Ehe sie sich daran hindern oder es bereuen kann.
    Ehe sie es beide bereuen können.
    Und er sagt: »Bitte.«
    Mit diesem Wort ist er so besonders beredt – bitte . Niemand dürfte so gut bitten können, sonst gewöhnt er sich daran, mehr zu bekommen, als er verdient.
    »Bitte.«
    Sie versäumt es zu gehen, und so kann er sagen: »Beth, lass mich nur … Ich war unverschämt, und das tut mir leid, und ich entschuldige mich, und es wird mir ewig leidtun, wenn du möchtest, und ich werde mich wieder und wieder entschuldigen … Ich war … Lass mich …« Er streckt den Arm aus und bemerkt, dass sie seine Hand hält. Wer sie sähe, würde sie für ein Liebespaar halten – Hand in Hand im Schutze der Nacht.
    Aber mir ist so kalt, dass ich ihn nicht spüre.
    Dann befreit Arthur sie und knöpft seinen Mantel auf – es dauert eine umständliche Weile, seine Finger sind offenbar auch steif. Er dreht sich von der Schärfe des Wetters weg, öffnet das lange, braune Tuch seines Mantels und hüllt sie in das himmelblaue Futter, das wahrscheinlich Seide ist und nicht mit Salzwasser in Berührung kommen dürfte. Er schenkt ihr, was von seiner Wärme übrig ist.
    Und sie kann alles ertragen, nur nicht dies, nur nicht dies, nur nicht dies.
    Nur nicht ihn.
    Wie ein Liebespaar.
    Wir sind ein Liebespaar.
    Sind wir.
    Waren wir.
    Sind wir.
    Kalte Wangen, kalte Lippen, wie ein Toter, aus dem Grund sind seine Worte etwas tastend, vielleicht auch aus anderen Gründen. »Beth, ich habe dir gar nicht erzählt, wo ich lebe.« Doch seine Stimme in ihrem Haar, dicht an ihrem Ohr, es fühlt sich an wie drinnen, hat die Temperatur seines Inneren, dessen, was sie zusammen waren – und das berührt sie wie vor langen Zeiten, als wären sie andere Menschen, als wäre sie jemand anders und mit ihm zusammen. »Du weißt nicht, wo ich lebe, Beth.«
    »Was?«
    »Schhhhh. Warum solltest du auch? Du wolltest es nicht wissen. Willst es nicht wissen. Das ist vernünftig – du brauchst es auch nicht zu wissen. Aber … ich habe die Wohnung in London, die du … an einem Nachmittag wärst du beinahe dorthin gekommen, aber ich verstehe, warum du nicht wolltest – das ist in Ordnung – und ich bin Stammgast in verschiedenen Hotels … aber dort lebe ich nicht, das ist nicht mein Zuhause, ich …« Er zittert – ein empfindliches Instrument, unser Arthur, zeigt meist seine Erschütterungen, seine ungünstigen Bedingungen. Er ist so gemacht, dass man sein Unbehagen sieht. Er braucht Handschuhe. Sie müssten beide Handschuhe tragen, zumindest sollten

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