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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ein paar Schränken, die du sicher würdest loswerden wollen – der Inhalt würde dir nicht gefallen – manche von den Büchern auch nicht – und eine große Küche, in der man sitzen und am Tisch frühstücken kann – du kannst essen, was du willst – so mache ich es – und oben ist ein Bad, das aufs Meer hinausgeht, und noch ein kleines Zimmer mit ganz gewöhnlichen guten Büchern zum Lesen, und dann mein Schlafzimmer mit Kleiderschränken und einem Doppelbett – ich brauche kein Doppelbett – ich kann darin liegen, oder sitzen, mit Kissen im Rücken, und dann sehe ich den Sonnenuntergang, und alles ist vollkommen – scheißvollkommen – und weißt du noch, dieses Sommerschlafzimmer? Erinnerst du dich an den Rosenduft aus dem Garten in diesem Hotel, und die großen Sonnenquadrate auf dem Teppich, und niemand hat uns gesehen, weil wir nie aus dem Zimmer raus sind? Weißt du noch? Das erste Mal nach Beverley, erinnerst du dich? Und mein Haus steht bereit, und es ist nett, und du solltest einmal, bloß einmal … man sieht so viele Sterne, dicht an dicht Sterne – ich werde ganz betrunken, wenn ich sie anschaue … bloß einmal … du weißt, ich würde nicht … ich … Darüber wollte ich eigentlich reden, davon wollte ich dir beim Büfett erzählen. Nicht das andere Zeug. Aber ich konnte nicht, also hast du das andere zu hören gekriegt, weil ich nicht konnte, darum … Ich wollte dich hier auf dem Schiff haben, damit ich dir von meinem Haus erzählen kann. Das wollte ich.«
    Und was kann es darauf für eine Antwort geben? Es ist unverzeihlich.
    »Das ist … Art, bitte, ich – «
    »Es ist ein freundliches Haus. Alles bereit, und wenn es mir behaglich scheint und wir uns ähnlich sind – und wir sind uns ähnlich … es ist ein freundliches Haus.«
    Das kann Beth weder annehmen noch abweisen, also versucht sie es so: »Lebst du wirklich dort?«
    »Ja!« Es tut ihr weh, wenn er schreit, ihm scheint es auch wehzutun, und sie treten wieder auseinander, er knöpft seinen Mantel wieder zu und sagt dabei: »Herrgott, Beth. Ja. Ich lebe wirklich dort. Ich lüge nicht immer. Ich lüge eigentlich kaum. Nur das Allernötigste. Und dir gegenüber gar nicht.«
    »Weil Lügen nicht wirken.«
    »Nicht darum.«
    »Wissen sie auf deiner Insel, wer du bist?«
    »Was?« Eine nackte Sekunde lang ist er verblüfft und einfach nur ein Mann, dem sie helfen sollte, weil er überspannt ist. »Nein. Nicht so richtig …« Und dann ist er wieder Art, verteidigt sich, beschreibt, wie er lügt. »Sie halten mich für einen Exzentriker mit Geld – davon gibt es eine Menge auf der Insel – und ich habe unbestimmte gesundheitliche Probleme, habe einen Bediensteten, der die Vorräte aufstockt, Reparaturen und Gartenarbeiten beaufsichtigt und zur Geheimhaltung verpflichtet ist, weshalb er unzutreffenden Klatsch verbreitet, der im Gegenzug nicht geglaubt wird. Aber: Nein, sie wissen nicht, wer ich bin.«
    »Und sie wissen nicht, was du tust.«
    »Scheiße, Beth – das weiß niemand. Die einzige, die es wissen könnte, bist du.«
    »Denn wenn du zu mir sagst, dass 361 Menschen sich fotografieren lassen haben … hör mal, wir müssen raus aus dieser Kälte, sonst unterkühlen wir.«
    »Wenn wir hineingehen, könnte man uns sehen, darum können wir nicht …« Er bibbert, sie zittern beide – sterben vor Kälte. »Ja, wir müssen reingehen. Ja …« Er zieht die Schultern hoch und verwandelt sich in eine abgemilderte Version des zögernden, zuckenden Mannes, den er in der Schlange gegeben hatte.
    Elizabeth folgt ihm zur nächsten Tür und ruft in den Wind, ehe er sie öffnet: »Drei sechs eins. Ich erinnere mich.«
    »Auf der Rechten Liste.«
    »Drei sechs eins.«
    Und dann taumeln sie in eine schmerzhafte Stille, eine absurde Wärme. Vor ihnen liegen die Innentür und dahinter der ausgedehnte Teppichboden, die effiziente Beleuchtung, die Möglichkeiten – auch wenn es schon spät ist – neugieriger Beobachtung. Elizabeths Wangen und Ohren brennen, tun weh vor Wohlgefühl.
    Arthur wirkt wund und geschrumpft. Er schaut mit gerunzelter Stirn auf sie herab und beugt sich leicht vor, verschränkt die Arme, entfaltet sie wieder. »361 auf der Linken Liste wäre – «
    » Verlust. Verrat. Bitte zuhören. Aber das hast du nicht gemeint. Auf der Rechten Liste bedeutet drei Berühre mich. Und sechs bedeutet …« Sie schluckt und scheint atemlos zu fallen, so als sei sie siebzehn, und ihr sei noch nichts zugestoßen, und sie sei eine gute

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