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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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durch sie und an sie gebunden, und sie durch ihn – das lässt sich nicht trennen.
    Er wird es lösen – ihre erste echte Meinungsverschiedenheit – und sie werden weitermachen – der Mann und die Frau zusammen, Seite an Seite.
    Das erwartet er.
    Weil er jung ist.

NACH EINER WEILE ist es in der Kabine so beklemmend – und so langweilig, weil Derek so leblos ist – er kann nichts dafür – und Beth hat so die Nase voll davon, zu sitzen und zu starren oder herumzuschleichen oder auf den Balkon zu schlüpfen, um sich eine Dosis Salz und Meereswüten zu holen – dass sie beschließt, sich davonzustehlen. Das wird ihn nicht stören und auch keinen Schaden anrichten.
    Elizabeth schlängelt sich hinaus in den Gang, zieht sacht die Tür hinter sich zu und lässt sie zuschnappen. Sie hat ihren Mantel mit hinausgeschmuggelt wie eine zerknüllte Schande und zieht ihn draußen im Flur an, wo er nicht stören wird.
    Ich muss spazieren gehen. Das ist ein völlig normales Bedürfnis. Ich bin den ganzen Tag irgendwie eingezwängt gewesen – und ich habe Energie, überschüssige Energie, verstörende Energie, die muss verbraucht werden, sonst eitert sie, setzt Fett an, und Schreckliches droht.
    Und Luft – Herrgott, davon könnte ich auch was gebrauchen.
    Elizabeth hat die Vorstellung, dass ein ganzer Sturm aus Luft ihr guttun könnte. Sie rennt nicht gerade – sie schwankt und stockt ab und zu – doch sie kommt schnell voran. Wie eine Frau mit einem Ziel vor Augen.
    Scheiße, das bin ich auch.
    Scheiße, Scheiße, Scheiße noch mal.
    Gehen wir die Sache praktisch an und gehen einfach nach draußen.
    Scheiße.
    In Elizabeths Innerem schreit es immer noch, doch sie ignoriert das, nimmt die Treppe, geht weiter.
    Es ist noch nicht so spät, dass die Vergnügungsflächen verlassen sind, aber man hat das Gefühl, dass irgendwo eine Party zu Ende gegangen ist und die Gäste nach Hause wanken. Kleine Grüppchen schlendern und bleiben in lockerer Formation vereint, obwohl sie schlingern und der Boden unter ihren Füßen wegsackt. Sie plaudern sichtlich erfreut, weil sie schon brauchbare Reisefreunde gefunden haben. Sie können sich entspannen und mit vorläufigen Terminen für Bridge oder Poker oder den Nähkreis, für Klatsch und Tratsch, Briefmarkentausch, Drinks vorm Dinner ins Bett gehen.
    Um diese Uhrzeit sind die Gelegenheiten zur Unterhaltung oder Horizonterweiterung extrem beschnitten, und die geschlossenen Bars und leeren Stühle sind zwar nicht direkt abweisend, aber jedenfalls auch nicht mehr einladend. Elizabeth ist erleichtert, als sie zu einem Ausgang kommt, der zu einer Tür ins Freie führt. Ein Warnschild weist darauf hin, dass sie eigentlich nicht hier draußen sein sollte, dass die herrschenden Wetterverhältnisse gefährlich sein könnten, dann drückt sie gegen die Tür, und die gibt nach, lässt sie durch auf den schmalen und relativ geschützten Gang, der rund um das Schiff führt.
    Das Promenadendeck – klingt wahrscheinlich. Vielleicht.
    Ich sollte nautische Begriffe lernen, mich damit beschäftigen.
    Sie kämpft sich ins Ungeschützte und wird von einer seitlichen Bö erwischt, die sie aufhält und züchtigt.
    Definitiv erfrischend.
    Eine Runde ums Deck. Das soll doch das stärkende Allheilmittel sein, oder …
    Scheiße.
    Also geht sie los, in die beutelnden Schläge hinein, der Regenmantel flattert um ihre Beine, doch es regnet nicht – nur der Geschmack der Wildnis.
    Scheiße.
    Scheiße.
    Aber ich bin hier.
    Hier muss ich also hin gewollt haben.
    Scheiße.
    Es sei denn, ich bin bloß Zufall. Oder eher Unfall.
    Als sie das Heck erreicht, ist der Wind gedämpfter. Unmöglich, es hier nicht zu spüren – nur sanft, ganz sanft, dass jede Option bis auf die letzte ausgeschöpft, dass ihr das Schiff ausgegangen ist, und der breite, bleiche Sog ihres Kielwassers wirkt gleichzeitig beruhigend und einladend. Eine kleine Beobachtungskamera ist installiert worden, falls jemand der Anziehungskraft nachgeben und sich hineinstürzen sollte, um sich mit der langen, sahnigen Perspektive zu verbinden.
    Und hier ist er.
    Eher Unfall.
    Scheiße.
    Letzte Option.
    Scheiße, Scheiße und noch mal Scheiße.
    Da ist Lockwood.
    Nenn ihn Arthur.
    Er lehnt an der Reling, die Arme breit aufgestützt, Gesicht zum Meer, starrt. Erweckt den Eindruck, das Wetter könnte von ihm abhängen.
    Natürlich. So will er auf sie wirken – gebieterisch.
    Scheiße.
    Noch einmal sackt ihr der Magen weg, denn was jetzt auch geschieht, es

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