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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Schülerin und Spätstarterin. » Sechs bedeutet Schlaf mit mir. « Man kann es nicht sagen, ohne es zu sagen.
    Sie stehen zwischen den Türen, und Beth wünscht, ihr könnte nach Weinen zumute sein, dann hätte sie etwas zu tun, was kein Trick wäre – nicht als Trick gemeint wäre – bloß etwas, womit sie sich beschäftigen kann.
    Arthur reibt sich in langem, nervösem Strich mit der Hand übers Gesicht. »Und eins ist Sieh mich an .« Er senkt den Blick und sagt sehr leise: »Und du hast mich berührt, als ich darum gebeten habe, du hast meinen Arm berührt, und ich habe eine Suite – ich habe eine Große Suite – die ist behaglich und warm, und wir könnten es darin behaglich und warm haben, und wir könnten uns ausziehen und in meinem Bett liegen, und du könntest mit mir schlafen, denn ich habe darum gebeten, und du hast es noch nicht getan, und man kann nicht mit einer Zahl anfangen und sie dann nicht zu Ende bringen, man muss die ganze Zahl vollenden, du könntest mit mir schlafen, und dann wäre ich bei dir und wäre nackt, und du könntest mich ansehen.«
    Beim Sprechen dreht sich sein Kopf weg von ihr, als rechne er damit, beleidigend zu wirken, und er schaut sie nicht an, sondern wendet sich der zweiten Tür zu, drückt sie auf, in den trockenen, angsterfüllten Geruch des Schiffes hinein.
    Arthur, der sich einfach wegbewegt: »Du könntest mich ansehen.«
    Und das heißt, er ist nicht einfach.
    Er ist nicht fair.
    Er sollte solche Sachen nicht sagen.
    Jedes Wort kann Zauberkraft entfalten, wenn du es nur richtig anzuwenden weißt.

VORBEREITET.
    Der Mann sitzt in einer gesichtslosen Hotelsuite, die Vorhänge seit drei Tagen zugezogen. Im Nebenzimmer ruht eine Frau, die niemand wieder heil machen kann, doch er wird es versuchen.
    In dem Mann brennt heiß der Gedanke, dass er sie retten kann, und er hat sich bereits voll und ganz dem ersten gewidmet, was er anzubieten hat: seine eigene Struktur zu untergraben, sich selbst zu belasten, kleinen Schmerz zuzufügen. Für die Frau – sie heißt Agathe – hat er sich unnatürlich gemacht. Denn für Agathe gibt es nichts Natürliches mehr.
    So viel bietet er allen an, jedem Fragenden.
    Er arbeitet nun schon eine Weile nur noch mit einzelnen Suchenden – die Bühnenauftritte schienen ihm nicht mehr richtig, sie waren unkontrolliert. Allein in einem Raum voller Fremder und ihrer Mängel, das hatte er nie vorgehabt.
    So ist es besser.
    Dies ist der letzte von drei Tagen.
    Der Mann gibt den Fragenden drei vollkommene Tage, zugeschnitten auf ihre Bedürfnisse.
    Maßgeschneidert.
    Drei Tage, und dann nicht mehr, nie mehr, ein definitives Ende.
    Drei Tage, vorbereitet von einem Mann, der vorbereitet ist.
    Vor Beginn jeder Sitzung denkt er aufmerksam daran – ich bin ein vorbereiteter Mann. Dann passt er eine Hand in die andere, stellt sich den Geruch von Karamell und Sonne im Gesicht vor, Lichtreflexe auf Wasser und leichtes Gezeitenrauschen – dieser Atem, das Atmen einer ruhigen See. Er sucht eine Reihe tröstlicher Orte und Gefühle auf.
    Nicht zu angenehm, aber ausreichend.
    Denn ich muss mich wappnen.
    Muss vorbereitet sein.
    Heute Morgen hat er zu viel Kaffee getrunken und eine rezeptfreie Tablette zur Befreiung der Atemwege genommen. Kombiniert mit seiner Anämie wird das seinen Herzschlag beschleunigen, wird das Herz in seiner Brust rasen lassen. Und er wird zittern.
    Was manchmal eine unerlässliche Voraussetzung ist.
    Es kommt auf Äußerlichkeiten an.
    Er steckt in einem erstklassigen Anzug. Er kann es sich leisten.
    Maßgeschneidert.
    Er hat ihn jedoch schon zwei Tage hintereinander getragen und zerknittern lassen – sein Hemd ist frisch gewaschen, aber ebenfalls zerknittert – denn er arbeitet, er hat sich mit Agathe eingeschlossen, und Stunden quälen sich herum, türmen sich auf. Und er wird sich nicht rasieren, bis er am Ende ist.
    Hier bin ich, in Stücke zerfallen, verloren und gepeinigt in meiner hartnäckigen Sorge um dich.
    Symbolische Hingabe an ihre Sache.
    Normalerweise ist er makellos, hält sich mehr als sauber. Rasiert sich zweimal täglich. Maniküre einmal die Woche.
    Doch wenn er einen Auftrag hat, muss er subtiler vorgehen – zerzaust, aber nicht ungepflegt – also kein Bügeleisen, nur unparfümierte Seife, duftfreies Deodorant. Ungewollte Gerüche können verwirren.
    Zusätzlicher Transpirationsschutz für die Hände.
    Denn er gibt sich tatsächlich ganz ihrer Sache hin, und seine hartnäckige Sorge gilt einzig und allein

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