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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ihren Arm, nimmt an dieser Stelle ihre beiden Hände, hält sie von beiden Seiten fest und – schh, schh – dieser Trost provoziert einen weiteren Zusammenbruch, doch er wird sie hindurchgeleiten und könnte selbst weinen, könnte und tut es auch – das ist die richtige Richtung – und nur sehr allmählich, erst Minuten später, sagt er noch etwas.
    »Alles in Ordnung? Peri?«
    »Oh … Ich …«
    Und sie kann ihm nicht sagen, dass sie sich an die Beerdigung erinnert und gewünscht hat, sie hätte ihn damals schon gekannt – um zu sehen, wie attraktiv er in Trauer aussehen könnte, ihr großgewachsener Beschützer, der sich herunter beugt, um sich zu kümmern – sie kann nicht viel preisgeben, aber er nickt und sagt: »Ich weiß, ich weiß. Und was ich am sichersten weiß: Ich werde das in Ordnung bringen, und Ihnen wird es gut ergehen. Sie werden geschützt und verteidigt, und alle bösen Wirkungen werden gänzlich überwunden werden. Die kleine Erkältung, aus der eine Grippe geworden ist – ich wette, das hatte überhaupt nichts mit Ihnen zu tun – Sie gehen doch jede Woche zum Arzt, Sie sind fit und gesund und – «
    »Aber, Arthur …« Sie schenkt ihm ein Lächeln, das er in der Magengrube spürt, als würde jemand kalte Münzen darauffallen lassen. »Ich bin nicht mehr jung.«
    »Nun, ich bin auch nicht mehr jung, Mrs Arpagian. Wir sind beide nicht mehr jung, aber keiner von uns dürfte eine Erkältung bekommen, die sich einfach in eine Grippe verwandelt.« Sie spielt Stirnrunzeln, um zu sagen, dass Arthur sie nicht getäuscht hat, und er spielt Stirnrunzeln, um zu zeigen, dass sie ihn bei dieser kleinsten seiner Lügen erwischt hat, die kaum eine Lüge ist – sie ist fit und gesund, sie könnte noch viele Jahre leben. Er könnte noch mehr als ein Jahrzehnt Einkommen herausschlagen. »Irgendjemand da draußen gebraucht Magie gegen Sie, und ich werde die Betreffenden daran hindern, werde sie überwinden, und wir werden triumphieren. Vielleicht haben sie Fußspurenzauber bei der Hütte verwendet, und in letzter Zeit habe ich immer öfter von der Pulsa diNura gehört …«
    Ein Geschenk, diese Pulsa diNura – irgend so ein Quatsch von Feuerzungen, die einen zu Tode beten können. Einmal rezitieren, und das war es – jeder Gegner ist bloß noch Dampf und Asche – als wäre noch irgendwer übrig, wenn das stimmen würde. Als würde ich nicht den Rasierspiegel im Hotelzimmer benutzen und mich selbst damit verfluchen.
    »Die Pulsa diNura ?«
    Irgendein Kabbala-Jünger hat sie ihr gegenüber schon erwähnt, also lässt er seinen Griff höher gleiten, drückt ihren Arm und grinst, als würde sie ihm Mut machen, und er erklärt: »Das sind Worte, eine aus Worten errichtete Bedrohung – doch für jedes Wort gibt es einen Gegenzauber – jedes Wort besteht aus Buchstaben, jeder Buchstabe hat einen Wert, Werte sind Zahlen, und mit Zahlen bin ich sehr gut, war ich schon immer.« Er richtet sich gerade auf, lässt sie los, handelt wie ein männlicher Mann: kompetent, gebieterisch. »Also. Es gibt Ingredienzien, die gesammelt werden müssen – einige davon sind ziemlich selten – auch wenn ich viele besitze – und Zeremonien, die ich durchführen werde. Eine muss auf den alten Mond warten, eine andere auf den neuen.«
    Muss noch irgendwo einen Planeten einbauen. Aber Frauen stehen immer auf den Mond.
    »Für den Rest muss ich eine Woche fasten und beobachten – ich muss mich mit einem Rabbi zusammensetzen, und mit einem Priester, und mit noch einem …«
    Darf nicht zu spezifisch sein, sonst wird es langweilig.
    »Und dann werde ich drei Tage lang die bösen Absichten zunächst verwirren und dann zerstören, ich werde Ihre Straße reinigen, Ihr Heim, Ihre Belange, Ihre Gesundheit, Ihren Seelenfrieden, Ihre Gegenwart und alle sichtbaren Wege Ihrer Zukunft.«
    Allerdings werden noch weitere Pfade enthüllt werden, um die man sich kümmern muss, weitere Herausforderungen werden erwachsen, die ich alle heraufbeschwören, annehmen und meistern werde – nicht sonderlich kompliziert, meine eigenen Fiktionen zu besiegen. Eine Form der Therapie, könnte man sagen. Ich mache die Träume, und Peri schluckt sie – das tun alle meine Damen – und Mr Walcott, mein einziger Herr – sie essen meine Träume: meine endlos besiegten und wiedererweckten, meine raffinierten Träume.
    »Und dann werden wir hier unser Ritual vollziehen – für uns – und ich werde Schutz auf Ihre Schwellen legen – «
    Den Imee wieder

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