Das blaue Buch - Roman
Möbel wie ein murmelnder Befall. Unter ihnen sind regenbogenbunte Hemden, wilde Krawatten, große Manschettenknöpfe, erschreckende Westen, schrille und längliche Schuhe – als ob sie bei jedem Schritt irgendwas vor sich zertreten, können gar nichts dafür, los geht’s – als würden sie auf lauten Rufen oder peinlichem Geheul laufen, oder auf Dummheit – ja, als würden sie auf zwei Brettern laufen, die aus Dummheit gemacht sind, sie gehen auf der Dummheit entlang, die hält sie in der Luft – und sie tragen gestreifte Socken, oder karierte, oder idiotische, oder gar keine, oder zu kurze Hosen, oder umgeschlagene Hosen, oder absichtlich eigenartig geschnittene Hosen, und ihre Taschentücher sind durchgedreht bunt, leuchtend, und ihre Hüte, wenn sie welche haben, sind von Zeichentrickfiguren oder aus alten Filmen geborgt.
Kurz gesagt, sollte jetzt jemand ein Foto schießen – und ihr Vater könnte das jeden Augenblick tun, er liebt Schnappschüsse – wird Elizabeth aussehen, als sei sie auf eine geschmacklose Beerdigung geraten, eine bizarre Trauerfeier: vielleicht zu Ehren eines Clowns. Es wird wie ein ziemlich fröhlicher Anlass wirken – als sei der Verstorbene nicht besonders beliebt gewesen. Sie wird dem Anschein nach der einzige betroffene Mensch dort gewesen sein.
Denn es ist ihr Geburtstag.
Aber doch nicht ihr Geburtstag – er ist geklaut worden, wie üblich.
Aber da ist Beth, festlich gekleidet in ihr Schottenkarokleid mit der kratzigen weißen Spitze vorn, sie trägt ihre neue TickTackTimex-Uhr und steht auf einer kleinen Holzkiste, die blau angestrichen und mit silbernen Sternen verziert ist, umgeben von den Freunden ihres Vaters und keinem einzigen ihrer eigenen Freunde – sie hätte ein paar einladen können, wollte aber nicht – sie lässt die Hände locker herabhängen, und sie darf die Augen nicht schließen, aber auch nicht starren, sie soll sich einfach umschauen, wie es jeder tun würde, soll die Männer anschauen, die herumlümmeln und mit aufgesetzter Achtlosigkeit gestikulieren, die gelegentlich kichern oder an einem Drink nippen, während sie – so schief wie immer – »For She’s a Jolly Good Fellow« singen, immer und immer und immer wieder.
Beth ist kein Fellow – ein Fellow ist ein Mann.
Beth ist auch nicht jolly good – sonst würde sie tun, was ihre Eltern wollen – und das tut sie nur halbwegs. Sie steht zwar auf der Kiste, aber sie macht nicht richtig mit, amüsiert sich nicht – sie lächelt nicht aufrichtig, und wenn sie dem Blick ihres Vaters begegnet, sieht sie, was er möchte, was er braucht: dass sie nämlich glücklich ist – und sie verdirbt ihm die Freude. Das macht sie traurig, was er bemerkt und was ihn noch trauriger macht.
Ihr Vater – Mr Barber – Michael Barber – alle nennen mich Cloudy, Cloudy Barber, das geht schon in Ordnung – hat jedes Jahr die gleiche Vergnügung für sie organisiert, so lange sie sich erinnern kann, das heißt sieben Jahre. Was er gemacht hat, als sie noch ganz klein war, weiß sie nicht, aber das hier bekommt sie von ihm seit mindestens sieben Geburtstagen – diese Albernheit mit den Anzugmännern, nur für sie.
Seit 11 Uhr 26 heute Vormittag, als Elizabeth erwachsen geworden ist, braucht sie das nicht mehr zu wollen, aber sie kriegt es trotzdem – da ist es: für sie, zu ihr, an sie . Sie singen und grinsen sie an , zielen alle viel zu sehr in eine Richtung – nämlich in ihre – und dabei stecken sie ihr Geld zu. Sie begreift nicht genau, wie dieses Zustecken geschieht, aber sie weiß, dass die Münzen und gefalteten Scheine – die warmen Postanweisungen – nicht durch Zauberei zu ihr kommen. Die Anzugmänner sind wie ihr Vater Zauberer – Berufszauberer – aber sie beherrschen nicht die Art Zauber, von der sie in Büchern liest, die mit echten Magiern und sprechenden Tieren und Wundern. Ihre Geschenke erscheinen durch die Art Zauberei, die ihres Vaters Beruf und für Kinder ist – für die Kinder anderer Leute und ihre Geburtstagsfeiern, oder manchmal für Erwachsene und ihre Hochzeiten – die Art von Zauberei, die ihn müde macht und manchmal verärgert, wenn sie ihn beim Üben von Dingen stört, die geheim sind. Die Magie ihres Vaters ist nicht magisch.
Obwohl sie einmal, wirklich nur einmal, davon erstaunt war – erschreckt sogar. Sie saß in der Badewanne und war noch klein – fünf oder sechs – und sie konnte ihren Vater hören, wie er zur Tür kam, und dann seinen Ruf: »Und nun – werde
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