Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
also Schluss damit.
    »Jemand hat sie geschickt?« Wie viele Menschen ihrer Schicht nimmt Peri an, dass sie von Neid und Verschwörung umgeben ist. Das flammt in ihr auf wie Phosphor.
    Also ignoriert er sie, schweift ab. »Frank. Ich glaube, einer von ihnen hieß Frank.«
    Kann hier nichts falsch machen, da er gar nicht existiert und mir daher nicht widersprechen kann.
    »Ja, er hieß definitiv Frank. Kein Name für den anderen. Sie haben Ihre Tischware zerstört …«
    Peri legt Wert auf ihr Geschirr und Besteck, besitzt Beilagenteller und Fischmesser und Honiglöffel und sämtliches Spezialbesteck für Schalentiere – sie fühlt sich nicht hineingeboren in ihre Klasse, daher ist ihr alles wichtig.
    Hier in Amerika kann dasselbe Wort Geschirr und Besteck bedeuten – Tischware … man kann unter diesem Mangel an Vokabular leiden … oder die Chancen verdoppeln, richtig zu liegen.
    »Sie haben Ihre Gedecke kaputt gemacht, aber auch Sachen mitgenommen – Kleidung.«
    »Oh nein, Arthur.« Sie darf mich Arthur nennen, aber ich sie nicht Peri – sie bleibt immer Mrs Arpagian, so als wäre ich ein Diener. Dabei bin ich doch der Herr. »Glauben Sie wirklich, Arthur, ich glaube nicht.« Sie widerspricht nicht richtig, sondern stellt eher heraus, dass er unfehlbar ist und dass sie weiß, seine Neuigkeiten enthüllen sich gerade erst, und wenn sie vollkommen sichtbar sind, werden sie schlimm sein, sie umzingeln und eindringen. Sie fängt an, Arthurs Unterarm zu tätscheln. »Da war doch fast nichts mehr – ein paar Hemden, Stiefel … Mels hatte, glaube ich, noch eine Arbeitsjacke da …«
    Dem Gelände entsprechend ausgerüstet.
    So wie ich.
    Hat Richard heute Morgen besonders erfreut – doppelt geschlitzt, handstaffiertes lavendelfarbenes Futter, Ansteckschlaufe für Blumen, Tickettasche, echter Manschettenschlitz, das Übliche: meine Arbeitsjacke.
    »Kleine, persönliche Gegenstände sind abhandengekommen, dazu ältere Kleidung …«
    Ihre Stimme schnell und dünn vor Angst: »Aber das ist doch nichts wert. Wieso sollten sie wertlose Sachen mitnehmen?« Obwohl sie schon überzeugt ist, dass es sich nicht um normalen Diebstahl handelt, dass dies sich den Regeln der Welten beugt, die nur der Mann bereisen kann.
    »Kleidung, die zu Ihnen gehört, die Ihre Gestalt angenommen hat – Oberflächen, die ein klein wenig von Ihrer Persönlichkeit aufgenommen haben …«
    Ich sage nicht Aura . Habe ich nie gesagt, werde ich nie sagen. So einen Quatsch rede ich nicht. Mache ich nicht. Muss ich nicht. Ist auch so scheißschlimm genug.
    Und ich sage auch nicht Essenz . Und ich sage nicht Emanation . So einen Scheiß nehme ich nicht in den Mund.
    Peris Mund flüsterweit geöffnet, ihr Schrecken stumm, das Frösteln spürbar.
    Schlanke Dame, in den Dreißigern geboren, eine Zerbrechlichkeit und Offenheit, dass Arthur sie am liebsten umarmen, sie lachen sehen, mit ihr Jazz hören möchte, bis sie beide müde werden, und dann an der Bettkante sitzen und sie auf die Stirn küssen wie ein anständiger Sohn.
    Doch stattdessen mache ich das hier – ich hetze sie.
    »Wenn solche Dinge in unfreundliche Hände geraten – neidische, eifersüchtige, bösartige Hände – dann kann ein fähiger Leser Ihre Schwächen entdecken, kann mit Schadenszauber gegen Sie arbeiten.« Arthur macht eine Pause, bis sie ihn anschaut – ihr Blick flackert zwischen seinen Augen und Lippen hin und her – versucht zu entscheiden, wovor sie sich mehr verstecken muss. Und dann spricht er die drei kleinen, tödlichen Worte – »Es tut mir leid.« Als wäre sie nicht mehr zu retten, auch nicht durch ihn.
    Es tut mir nicht leid. Ich bin ein Dreckskerl. Ein Arsch.
    Und dann wartet er.
    Eintausend und Arsch, zweitausend und Arsch, dreitausend und Arsch …
    Während sie leise weint – ein ordentliches kleines Mädchen weint in einem großen Haus – und sie schaut zu ihm herüber, als wäre sie albern und wäre lieber tapferer und
    Viertausend und Arsch, fünftausend und Arsch …
    Er kann nicht nachgeben.
    Sechstausend und Arsch …
    Ein Taschentuch mit Blumenmuster in den Ärmel gesteckt, jetzt tupft sie damit, hält gute Ordnung, will präsentabel aussehen, weil er sie anschaut, und – da ist er – der Augenblick, da dieser Schrecken herabfließt, hineinsickert, auf den schon tief sitzenden Bruder trifft – den Verlust von Mels.
    Siebentausend, und so ein Arsch bin ich doch nicht.
    Er findet ihr Handgelenk und küsst ihre Fingerknöchel, das Salz, streichelt

Weitere Kostenlose Bücher