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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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entfernen wird. Putzt und poliert nur zu gerne, nimmt Federn, Pulver, Seidenstreifen weg. Ungezogenes Mädchen.
    Nicht dass es schaden würde – die haben sowieso keine Wirkung.
    »Fenster und Türen, Balkongeländer und so weiter. Sie werden es behaglich haben.«
    »Brauchen Sie das Geld jetzt?«
    »Ich brauche das Geld nicht jetzt. Ich brauche das Geld ganz und gar nicht jetzt. Ich möchte nicht über das Geld sprechen.«
    Und das ist wahr.
    »Wenn wir das hier erledigt haben und Sie zufrieden sind – äußerst zufrieden – und es Ihnen gutgeht – wenn Sie gut schlafen …«
    Ich muss andeuten, dass sie jetzt nicht gut schläft, damit sie es auch nicht tut. Auch das ist verdammt wahr.
    »Dann schreibe ich alles auf eine Rechnung, und dann können Sie mich bezahlen.«
    Und das ist so verdammt wahr, wie es überhaupt nur sein kann.
    Jedenfalls so gut wie.
    Aber ich habe es nicht erfunden. Ich bin auch nicht annähernd der Schlimmste.
    Es ist einfach das Traumspiel – so stark, wie ein dunkler Zauber sein könnte, wenn so etwas existierte. Das Traumspiel hat Mels Arpagians Vermögen erschaffen – Uran für den Kalten Krieg, den seltenen und wertvollen Stoff, der die Phantomheere der Feinde in die Flucht schlagen würde, diese überschätzte Gefahr, die Gründe, Geld für Todesideen auszugeben, für Mordpläne. In anderen Zeiten und Zusammenhängen sind es andere Aromen – aber es bleibt das gleiche Spiel. Bau dir eine Steinstufe an den Schornstein, dann werden die Hexen draußen bleiben und dein Haus in Frieden lassen; wenn keine Hexen kommen, dann muss der Stein funktionieren, muss gebraucht werden – es kann nicht sein, dass es keine Hexen gibt, dass du die Stufe gar nicht brauchst. Kauf diesen Saft, sonst werden deine Kinder verkümmern – nimm diese Creme, sonst wird deine Haut verflucht – gib dieses Recht auf, sonst wird dein Land scheitern – rette dieses Unternehmen, rette diese Bank, sonst wirst du in einer Wüste leben – ändere dein Leben nach diesem Plan, sonst wirst du nie glücklich, wirst nie Sex haben, wirst nie richtig ficken, wirst deinen Schwanz oder deine Möse nie wieder erfreuen oder auch nur ertragen.
    Das ist alles Zauberscheiß, weiter nichts.
    Unsere aktuellen Traumspiele wollen Opfer und Schmerz und Helden und Terror, um die Welt zu verbrennen, und die Energie rechtgläubiger Folter, gnadenlos ausgeübt, und ausreichende Mittel, um unsere Probleme anzufachen, sie nicht zu beseitigen – das gierige Verlangen behalten, das Gefühl dunkler, geheimer Bedrohungen, von Mächten, die sich gegenüberstehen, von wundersamen Errettungen. Sie wollen Hass. Sie arbeiten für Geld und Hass.
    Es widert mich an.
    So sehr, wie ich mich selbst anwidere.
    Vielleicht sogar noch mehr. Immerhin arbeite ich für Geld und Liebe.
    Und meine Toten sind schon tot, ohne mein Zutun, und ich wünsche mir auch keine weiteren, ich habe genug, und wir laufen und drehen und tanzen alle sowieso aufs Grab zu, kein Grund zur Eile. Wir werden schon ankommen.
    Ich arbeite nicht für Hass.
    Aber dennoch …
    Er ist nicht mehr annähernd so, wie er es gern hätte, und gelegentlich kann er sich dieses Restaurant vorstellen – ein Italiener – und er war nicht allein dort, sondern mit einer Frau, ein Grund für Liebe, ungewollten Glauben. Vor langer Zeit. Und der Kellner hatte – vielleicht wegen der komischen Wirkung – ein ganz eigenes, vertrauliches Englisch gesprochen und mit besorgter Miene gesagt: »Wenn du bist ich«, um ihnen dann Ratschläge zur Weinkarte zu geben – die eher beschränkt war. Und A. Lockwood hatte der Frau ins Gesicht gesehen – beide amüsiert, aber nicht richtig lachend, diesen Übergang genießend – und im Mund hatte er geschmeckt – süß, süß, süß – Wenn du bist ich – und der Satz schien bedeutsam, kein Fehler. Es schien, als könnte die Frau er sein und er sie, als wären sie austauschbar sie selbst, und das war grandios.
    Wenn du bist ich.
    Dann ist alles gut, und ich werde sehr gut klarkommen.
    Ich werde nicht im Frühjahr, der diesem Herbst folgt, auf einem Hotelbett liegen, immer noch im Bühnenkostüm, von Schweiß befleckt, der Abend beendet – ein Leukämiekind, eine resolute Oma, Autounfallkind, resoluter Opa, langweilige Tante, exzentrische Oma, unerlöste Mutter, plötzlich zum Stillstand gebracht, Tränen für zwei unzureichende Väter, Dank an den Ehemann, der seinen Schwiegervater in dessen letzten Tagen sauber gemacht, angekleidet und anständig behandelt

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