Das blaue Buch - Roman
in einem Türrahmen steht – und als sie ihn verließ, ging das Bild davon mit ihr, nistete sich ein und beobachtete sie bis September 1999 – bis sie fast fünf Jahre ohne ihn verbracht hatte – und dann erleuchtete es sie, ließ sie sehen.
Sie hatte ihre Mutter mit auf einen Kurzurlaub genommen – ein langes Feiertagswochenende.
Da kann man nicht widerstehen.
Sie hatten Zimmer in einem Wellnesshotel mit gepflegten Toilettenartikeln und Gratis-Bademänteln und einer reichen Auswahl von Anwendungen und Behandlungen, die garantiert entschlackend oder entgiftend oder entspannend wirken sollen, oder einfach nur nett, und mit heißen Bädern und einem verdammten Schwimmbad – als wäre das eine vernünftige Idee, als sollten sie an so einem Ort allein miteinander sein, mit zu viel Zeit zum Nachdenken – allein, weil ihr Vater nicht dabei war.
Es war in Beverley – kein Grund, sich Beverley auszusuchen, aber ich habe es ausgesucht.
Beths Mutter war auf dem Hotelgelände spazieren gegangen, wenn es nicht regnete, und hatte gelesen, wenn es regnete, und obwohl der Rest der Spa-Angebote ihr nicht passte, ließ sie sich die Haare schneiden und eine neue Dauerwelle machen und außerdem die Nägel pflegen – nichts Schrilles, bloß eine schöne Maniküre und ein bisschen Glanz. Sie hatte Beth erklärt, dass die Damen, die das alles machten – die sie dazu ermuntert hatten – sehr offen und angenehm gewesen wären, sie zum Lachen gebracht und sie zuerst immer Mrs Barber genannt hätten, später dann aber Cath, denn sie hatte sie darum gebeten, weil Cath ihr unveränderlicher Name ist, der nicht von irgendjemand anderem abhängt.
Cath war zum Abendessen heruntergekommen, hübsch gemacht für niemanden, sich selbst bei den Händen haltend, unwillig selbstgenügsam. Sie trug ihr erstes neues Kleid seit der Beerdigung ihres Mannes wie eine Sünde.
Beth hatte für Massagen mehr bezahlt, als sie sich leisten konnte – Gesicht nach unten, sich noch mehr anspannend, wenn sie berührt wurde, wenn andere herauszulassen versuchten, was in ihren Muskeln verbarrikadiert war: die Gedanken und Gedanken und Gedanken und Gedanken. Sie hatte schon geahnt, dass so etwas passieren würde, und war nicht beunruhigt – es war ihr nur peinlich, als sie bei einer Sitzung ihr Geld zurückbekam, weil sie angefangen hatte zu schluchzen – tiefes, zitterndes Schluchzen – der Masseur hatte es also bemerkt und aufgehört.
Durchaus nachvollziehbar – ein Mann allein mit einer weinenden, verstörten nackten Frau unterm Laken – kann unangenehm werden.
Tränen bringen alles zum Verharren.
Als allgemeines Prinzip würde das allerdings niemals funktionieren. Würde die ganze verdammte Welt zum Stillstand bringen, ehrlich. Alle würden auf Schiffen sinnlos irgendwas nachjagen, würden ziellos treiben.
Nein. Ich habe ein Ziel. Ich glaube, es ist ein schlimmes Ziel. Ich bin nicht sicher. Vielleicht ist es der falsche Weg, das Richtige zu tun.
Beth hat Arthurs Deck erreicht, nämlich Deck Sieben – natürlich muss es sieben sein – und die Beleuchtung hier ist ausgewählter als anderswo, die Luft schmeckt sauberer, zart klimatisiert zur Freude derjenigen, die dafür bezahlt haben.
Der Duft von Menschen, die täuschen – Könige von Glasgow mit geplünderten Rentenkonten, Herzoginnen aus Solihull, die ihre Abfindung verjubeln, Paare, die zwanzig Jahre jünger und frisch verheiratet sein wollen – und sie wollen Bedienung in weißen Handschuhen und in Formen geschnittene kleine Sandwiches und ein Foto mit dem Kapitän und die Nächte durchtanzen und so tun, als bedeute Britischsein ein liebevolles Empire beherrschen, die weniger Gesegneten und die Ausländer im Zaum halten, ihnen beibringen, wie man Gemüse zu Tode kocht, wie man sich selbst vergisst, wie man vor der Schlachterschürze salutiert, wenn sie jeden Morgen den blutigen Fahnenmast emporkriecht.
Sie wollen sich nicht schämen.
Oder sie wollen bloß so tun, als seien sie Filmstars.
Und die Deutschen tun so, als seien sie Briten, und die Amerikaner tun so, als seien sie Briten, und die Briten tun so, als seien sie Briten – und zwar noch angestrengter als alle anderen, damit sie unerschütterliche Ladys und strenge, aber faire Gentlemen sein können.
Die Franzosen bleiben Franzosen. Sie haben ihre eigenen Probleme. Sie haben ihre eigene Flagge.
Alle haben ihre eigene Flagge. Woher sollten sie wissen, was ihrs ist, wenn man keine Flagge hineinstecken könnte?
Ich lasse die
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