Das blaue Haus (German Edition)
auf dem Fernseher liegen. Schemenhaft erkannte er seine Schuhe neben dem Bett, die ihm Julie gekauft hatte. Vielleicht konnte er am Vormittag unauffällig einen Supermarkt betreten, um sich Rasierutensilien zu besorgen. Gott!, durchfuhr es ihn, er war wieder auf der Flucht! Wie weit mochte die Suche nach ihm schon sein? Vielleicht sogar schon bis vor seine Tür!
Die Dusche erfrischte ihn angenehm, und er sehnte sich nach einem Kaffee.
Das Café nebenan hatte schon geöffnet. Konnte er sich hineintrauen? War es letztendlich nicht egal, wo er einen Kaffee trank? Er musste doch irgendwann etwas trinken.
Die Beleuchtung des Cafés schimmerte in die Morgendämmerung hinein. Feuchte Luft stieg auf und begleitete Dane zum Eingang. Unsicher wagte er sich hinein. Er dachte an seine Fahndung. Salina war nicht weit weg und dieses Café nicht gerade ein kluger Unterschlupf, um der Polizei zu entkommen. Aber er hatte eine Waffe dabei, hinten in seinem Hosenbund. Zur Sicherheit. Das machte ihn stärker, für den Fall einer Komplikation.
Seine linke Hand umklammerte den Autoschlüssel. Er sah kurz auf Julies Mazda, der einsatzbereit zwischen einem weißen Ford und einem silbernen Chevrolet stand. Es war kein Polizeiwagen in Sicht.
Ihm wurde unwohl, als er die Tür des Cafés öffnete. Was würde ihn da drin erwarten? Vielleicht nahm ein Polizist gerade sein Frühstück dort zu sich.
Tuschelnde Stimmen schlugen ihm gedämpft entgegen. Keiner sah sich nach ihm um. Kein Polizist. Die Lautstärke blieb konstant, und es roch nach starkem Kaffee. Das mischte sich mit dem Geruch von frischen Waffeln, Speck und Ei.
Zum Glück war direkt an der Tür ein Platz für ihn frei. Es war zwar ein zugiger, aber sinnvoller Platz. Er setzte sich und sah mit leicht gesenktem Haupt auf die herbeieilende Bedienung, zu der er etwas von Kaffee und Toast mit Käse nuschelte. Ihm fiel auf, dass sie viel zu große Füße für ihre Körpergröße hatte. Dann sah er, wie die Füße sich wieder entfernten.
Ein neuer Gast öffnete die Tür und schickte ihm kühle Luft in den Nacken, aber auch einen hauchdünnen Duft. Der Duft war dezent, aber er reichte aus, um ihn zu irritieren.
Zuerst dachte er an Julie. Hatte er sie nicht richtig getroffen? Stand sie jetzt etwa hinter ihm? Oder hatte jemand das Buch mit in dieses Café gebracht? Etwa ein Polizist? Dann dachte er wieder an Julie, daran, dass es unmöglich sein konnte, auch das Buch – unmöglich.
Er ignorierte den Duft. Es war Zeit, wach zu werden, auf die Beine kommen.
Wieder umnebelte ihn dieser leichte Duft, obwohl diesmal keiner die Türe geöffnet hatte. Es war kein Parfüm, was er roch, es war irgendetwas anderes. Aber es war etwas von Julie, etwas, das sie außer dem Parfüm beim letzten Mal auch noch benutzt hatte.
Die umliegenden Stimmen mischten sich zu einem unerträglichen Gemurmel für Dane zusammen. Er konnte sich nicht konzentrieren. Alles verzerrte sich. Gedankenbilder begannen zu schwanken – der Duft – sein Blick verschwamm. Dazwischen schrie Sarah. Es ballte sich ein Schmerz zusammen und fuhr ihm in Kopf und Glieder. Der Duft. Er sah, wie seine Hände zu zittern begannen, als er langsam seinen Kopf drehte und in die Richtung sah, aus der dieser Duft zu ihm herüberschwebte ...
*
Sarah fühlte sich so gut wie lange nicht mehr. Sie saß neben ihrem Vater im Wagen und sah den grauen Asphalt Meile für Meile unter der Kühlerhaube des weißen Fords verschwinden. Noch nie war sie ihrem Vater so nahe wie in diesem Moment gewesen.
Zum ersten Mal seit Danes Tod hatte sie wieder das Gefühl, etwas für sich zu tun, etwas Gutes. Sie konnte plötzlich nicht mehr nachvollziehen, was sie wirklich an Julie gefunden hatte. War es nur dieser Alan gewesen? Oder hatte dieser Alan nur die Sehnsucht nach Dane ausgelöst?
Je näher sie Kansas kam, desto freier konnte sie atmen. Sie hatte sich einer Last entledigt, die sie fast erdrückt hatte.
Ihr Vater hatte schon immer viel geschwiegen. Das ließ ihn eigentlich sprechen. Man musste ihn nur verstehen lernen. Es war seine Art, ihr zu zeigen, wie sehr er sie liebte.
Auch er fühlte sich mit jeder Meile, die ihn von seiner Frau entfernte, merkwürdig befreit.
Es war halb fünf gewesen, als er mit Sarah Golden verlassen hatte. Elisabeth Newshorn hatte sich noch in tiefem Schlaf befunden und weder das Zuklicken der Haustüre noch das Verschwinden des Fords gehört. Das alleine reichte dann aus, um nach ihrem Erwachen die gesamte Familie hysterisch
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