Das blaue Haus (German Edition)
verharrte steif in seinem Schaukelstuhl und ließ die Aktion wie eine Untersuchung, die ihm helfen sollte, die Krankheit zu finden, an der er seit fünf Monaten litt, über sich ergehen. Es wurden zahlreiche Telefongespräche von seinem Apparat aus geführt. Die Leuchtsirenen der Polizeiwagen wollten keine Ruhe geben.
Zweimal versuchten sich die Händlers durchzuschmuggeln, aber jedes Mal hielt sie ein Polizist kurz vor Ragee zurück. Auch der Versuch, über den Gartenzaun hinweg mit ihm Kontakt aufzunehmen, misslang.
„Er wird nicht kommen, solange Ihr hier diesen Zirkus veranstaltet. Ihr werdet ihn so nicht kriegen“, flüsterte Ragee in den Trubel der Untersuchungen hinein, doch niemand hörte ihn.
Eine Stunde nach Mitternacht war die Aktion beendet, und man legte Raimund Geers einen Haftbefehl vor. Bridges versuchte, den alten schlafenden Mann in seinem Schaukelstuhl aufzuwecken, doch er schaffte es nicht, ... denn Raimund Geers war bereits seit einer halben Stunde tot.
*
Dane legte die Waffe, das Buch und die Anzeigen auf den Beifahrersitz und ließ die Corvette aufheulen. Er bewahrte eine erstaunliche Ruhe und lenkte den Wagen gelassen aus Junction City heraus. Julie war so merkwürdig ehrlich gewesen, dass sich schon fast ein neuer teuflischer Gedanke dahinter verbergen konnte. Das Gefühl ließ ihn einfach nicht los, und er suchte kurz vor Salina ein Café auf, in das er aber ohne Geld nicht gehen konnte. Er saß im Wagen und wurde den Gedanken an Julie nicht los.
Eine jüngere Frau und ein älterer Mann verließen das Café und passierten seine Corvette. Der Mann sah hinein, und Dane schrak hoch. Der Mann grüßte freundlich und zeigte mit seinen Fingern, wie toll er den alten Wagen fand, in dem Dane saß. Dane nickte befangen zurück und startete den Wagen, um in dieser Nacht noch mit Ragee zu sprechen. Er war ihm ebenfalls einiges schuldig.
Irgendetwas ließ ihn plötzlich auf die Bremse treten, als er in die Markley Road einbog. Von Weitem erblickte er die hell erleuchtete Einfahrt von Ragees Haus. Das versetzte ihm einen Schock. Gebannt starrte er aus sicherer Entfernung auf die Blinklichter der Polizeiwagen. Dass die Polizei nicht wegen Ragee da war, war ihm klar, aber wer hatte die Polizei eingeschaltet? Die Händlers? Nein, sie wussten nicht Bescheid. Ragee? Nein, er hatte versprochen, ihn niemals zu verpfeifen … aber er hatte auch auf ihn geschossen.
Dane rieb sich die Augen. Er sah wieder zu den Lichtern der Polizeiwagen, wie sie rot und blau vor sich hinrotierten.
Es war aus, alles war aus, endgültig. Sein Plan war verraten und Ragee inmitten polizeilicher Ermittlungen gefangen.
Dane begann zu lachen. Er wusste nicht, warum. Sein Zwerchfell begann zu beben und ließ hysterische Laute aus seinem Mund kommen. Es vermischte sich mit einem heulenden Jammern, und er konnte nicht aufhören, er wollte nicht aufhören. Ironie des Schicksals, dachte er und lachte weiter, bis ihm der Magen schmerzte und er sich langsam wieder beruhigte. Dann begann er, bitterlich zu weinen. Er saß in der Corvette, unmittelbar in der Nähe seiner eigenen Suchaktion und fiel von einer Hysterie in die nächste. Danach kam die Angst. Dane schluckte. Womöglich hatten sie ihn schon gesehen und warteten nur darauf, dass er ihnen einen Grund zum Schießen geben würde. Gott! Was machte er bloß!
Seine Hand bewegte sich langsam zum Zündschlüssel. Er drehte ihn so vorsichtig, als würde er eine Explosion damit verhindern. Er trat vorsichtig auf das Gaspedal und setzte langsam aus der Straßeneinfahrt zurück. Ihm war heiß.
Als er den Wagen fahrbereit in die andere Straßenrichtung stehen hatte, sah er sich noch einmal um. Er sah Ragees Haus. Das Haus, in dem er heilen und ein neues Leben beginnen wollte. Vorbei.
Wie spät mochte es sein: ein Uhr oder schon halb zwei? Benommen fuhr er aus Salina heraus. Niemand war auf ihn aufmerksam geworden.
Erst als er die Interstate erreichte, ließ das hysterische Gefühl etwas nach. Völlig unachtsam passierte er das Ortsschild von Junction City und fuhr den Wagen vor das Holzhaus in der Asher Avenue. Da lag es vor ihm – das blaue Haus mit Kaffee und Petroleumduft. Es stand inmitten blühender Frühlingssträucher, die sich schimmernd in der Nacht zeigten. Jetzt schien das Haus heller als im Januar. Da war es grau gewesen und Ragee wollte es hellblau streichen. Er hatte sich dabei den Arm gebrochen und war ins Krankenhaus gekommen, in das gleiche wie er, in das gleiche Zimmer wie
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