Das blaue Haus (German Edition)
hasste. Es würde ein Schandfleck in ihrer Familie werden. Dabei war es das Gesündeste, das der Familie Newshorn je begegnen konnte.
Sarah spürte die Hand ihres Vaters an ihrer Schulter und dachte, wie schade es war, so wenig mit ihm und Dane gemeinsam erlebt zu haben. Dane war immer der ersehnte Schwiegersohn von Ben Newshorn gewesen. Beide waren Gintrinker. Und wenn sie sich nur etwas mehr Zeit füreinander genommen hätten, hätte auch Ben Newshorn das Lachen wieder gelernt. Sarah musste lächeln. Sie hatten so viel gemeinsam – Dane und ihr Vater. Wenn da nicht dieser kleine Unterschied gewesen wäre: Dane hatte immer das getan, was ihr Vater sich nie getraut hatte.
Ben Newshorn sah seine Tochter an. Wie sehr musste dieser Gelton seine Tochter geliebt haben, dass er für sie gemordet hatte. Wir waren es, dachte er, die das Problem hatten, damit umzugehen – nicht er. Wer war der Normale, wer der Kranke gewesen? Wie spät war er als Vater nur darauf aufmerksam geworden. Hatte er nicht ein weit größeres Verbrechen an seiner Tochter verübt, als Dane es je getan hatte? Vielleicht hätte er Dane sogar früh genug auffangen können, wenn er nicht nur immer Gin mit ihm getrunken hätte.
So versuchte auch Ben Newshorn, sich mit dem Kreuz zu trösten und sah auf das kleine Bild.
Plötzlich wurde Sarah unwohl. Es kam von hinten – das Unwohlsein. Ein leichter Wind durchwehte ihr blondes Haar, obwohl kein Wind zu spüren war. Sarah sah sich nur flüchtig um, denn sie glaubte, einen Schatten gesehen zu haben. Der Friedhof wurde nur sehr wenig besucht.
Sie nahm die Gestalt hinter sich nur oberflächlich wahr. Es war ein Mann. Er war nicht allzu groß, aber schlank. Und er stand direkt hinter ihr, nicht vor einem anderen Kreuz. Das machte sie unruhig.
Ben Newshorn fühlte ebenfalls die Anwesenheit dieses Mannes hinter seiner Tochter. Er sah sich ebenfalls um, nur dann nicht mehr zurück. Sein Blick wurde starr, als er das Gesicht des Mannes ansah. Unerbittlichkeit durchschnitt die Luft und jagte mitten in sein Herz. Es schnürte ihm den Atem ab. Es konnte nicht sein, und doch stand da dieser Mann, der eigentlich vor ihnen in diesem Grab liegen musste. Wie konnte das sein? Wie? Ben Newshorn schluckte. Alan, dachte er verbittert ... Nein, kein Alan! Es hatte nie einen Alan in Julies Leben gegeben! Es hatte nur diesen Namen gegeben. Einen neuen Namen für einen Menschen, den es schon immer gegeben hatte. Das also hatte Sarah so fertig gemacht. Dieser Alan war niemand anderes als Dane. Dane Gelton war nie tot gewesen!
Sarah sah wieder auf das Kreuz. Sie redete mit stummen Worten. Ben sah seine Tochter an. Dane sah Ben an, Ben, der jetzt vermitteln musste. Diesem wurde schwindelig. Was auch immer er zu vermitteln hatte, er konnte es nicht. Er wusste nicht einmal, was hier passierte. Hatte seine Frau etwa recht gehabt, und Dane trachtete nach dem Leben seiner Tochter?
Ben Newshorn blickte sich wieder um. Dane sah ihn flehend an. Er sah nicht so aus, als wollte er Sarah umbringen. Sein Blick war zu ... zu müde und einsam, sehnsüchtig. Es waren nicht die Augen eines Mörders. Er wollte Sarah nicht umbringen. Er wollte zu Sarah zurück, das zeigte sein Blick.
Ben Newshorn rang sich ein gequältes Lächeln ab und nickte Dane leicht zu. Der nickte zurück. Es war gar nicht so schwer, mit ihm zu reden.
Sarah spürte keine Angst und sah weiter auf das Kreuz. Julie hatte versagt. Ihre Impfung hatte keine Immunität erreicht. Das banale Gekritzel in der Zeitung hatte sie auch nie wirklich erreicht – nur Dane, der jetzt hinter ihr stand, und den sie nicht bemerkte. Es waren Worte gewesen, die nicht seine Handschrift trugen.
Wie sollte er sie jetzt nur ansprechen und alles erklären? Sie stand vor ihm, er brauchte doch nur seine Hand zu heben und sie zu berühren. Sein Herz raste. Sarah duftete himmlisch. Er schloss seine Augen und holte tief Luft. Wie gut das tat – nach Julie.
Sarah bemerkte, dass ihr Vater plötzlich unruhig wurde. Sie dachte nicht mehr an den Mann hinter sich. Er war sicherlich schon weitergegangen. Sie dachte nur an Dane und sah auf das Kreuz. Dann spürte sie plötzlich die Hände ihres Vaters in ihrem Gesicht, wie sie es zärtlich umschlossen.
Ben Newshorn drehte sanft den Kopf seiner Tochter zu sich und sah ihr in die Augen. In seinen Augen waren Tränen. Da wusste Sarah, dass etwas nicht in Ordnung war.
„Wie fühlst du dich?“, fragte ihr Vater vorsichtig und wischte sich die Tränen aus den Augen.
Sie
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