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Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Titel: Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Konrad
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Lehrerin oder der einfühlsame Vater eines Freundes. Sie alle können auf ihre Art einen Ausschlag gegeben haben, dass unser Leben sich nicht nach den unglücklichen Pfaden unserer Vorfahren richtet und dass wir lieber ins Leben gehen, als ihnen in Krankheit oder den Tod zu folgen.
    Die Saat der Gewalt
    »Denn jedes Kind lernt durch Nachahmung.
Sein Körper lernt nicht das, was wir ihm mit Worten beibringen wollten, sondern das, was dieser Körper erfahren hat. Daher lernt ein geschlagenes, verletztes Kind zu schlagen und zu verletzen, während das beschützte und respektierte Kind lernt, Schwächere zu respektieren und zu beschützen. Weil es nur diese Erfahrung kennt.«
    ALICE MILLER , Dein gerettetes Leben
    Familiäre Gewalt kann viele Gesichter haben. Sie kann in Form von verbalen Angriffen, von körperlicher Misshandlung oder sexuellem Missbrauch erfolgen. Allen Formen von Gewalt ist gemeinsam, dass sie tiefe Wunden in der Seele hinterlassen. Dass sie das weitere Leben des Kindes prägen, sowohl seine Sicht auf die Welt als auch seine Sicht auf sich selbst. Wenn ein Kind in einer gewalttätigen Atmosphäre aufwächst, gibt es keinen sicheren Ort mehr, keine sichere Bindung. Die Beziehung zu den Eltern ist vergiftet, von Angst und Demütigung gezeichnet, und es ist nachvollziehbar, wie prägend sich dieser frühe Verlust von Sicherheit und Urvertrauen auf spätere Beziehungen auswirken wird. Aktuelle Studien belegen das hohe Risiko, dass sowohl Missbrauch als auch Misshandlung sich transgenerational fortsetzen. Viele Menschen wiederholen ihre gewalttätigen, traumatischen Kindheitserfahrungen mit ihren Kindern, denn sie wissen letztlich nicht, wie sich ein guter Vater, eine gute Mutter verhält: Sie haben diese guten Elternbilder nie erfahren und somit nicht verinnerlicht.
    Robert sucht mich auf, weil seine Frau ihn verlassen will. Er hat Angst vor der Trennung, er möchte weder seine Frau noch seine Kinder verlieren, aber er spürt, dass seine Frau ihm nur noch eine letzte Chance gibt. Im Laufe der ersten Sitzung erfahre ich viel über Roberts Sicht des Problems: Seine Frau sei sehr empfindlich, seine Söhne sehr ungezogen, während er selbst versuche, »mit aller Kraft den Laden am Laufen zu halten«.
    Robert ist ein attraktiver, gebildeter, erfolgreicher Mann, und er schlägt seine Kinder. Er schlägt sie auf den Kopf, kneift sie in die Arme, zerrt sie in ihr Zimmer, wenn sie seinen Anweisungen nicht folgen. Er schreit sie an, wenn sie sich morgens nicht schnell genug anziehen, er duscht sie kalt ab, wenn sie laut sind, er tritt nach ihnen, wenn sie untereinander streiten.
    Robert möchte Herr der Lage sein. Dabei ist er nicht mal Herr seiner selbst. Er verliert die Kontrolle, immer und immer wieder. Im Nachhinein versucht er seine Ausbrüche zu bagatellisieren und zu rechtfertigen. Seiner Frau würde auch mal die Hand ausrutschen, schreien würde sie auch sehr viel, überhaupt verstehe er das ganze Theater um so ein bisschen Erziehung nicht.
    Ich frage Robert, wie er selbst aufgewachsen ist. Er erzählt mir ohne sichtliche Beteiligung von einer Kindheit voller Demütigungen, Entwertungen und Gewalt. Die Kinder sollten funktionieren, nicht stören. »Kinder soll man sehen und nicht hören«: Nach diesem Motto waren bereits Roberts Eltern erzogen worden, und sie gaben ihre Erfahrungen an ihre Kinder weiter. Roberts Vater schlug die Kinder im Vorbeigehen. Roberts Mutter zog die Kinder an den Ohren und prügelte sie mit dem Kleiderbügel, wenn sie »frech« waren. Zu Roberts Muttersprache gehört Gewalt, und er lehrt sie auch seine Kinder.
    Robert hatte als Kind von gewalttätigen Eltern nur die Möglichkeit, seine Ohnmacht, seine Angst und seine Wut zu verdrängen. Die alte Hilflosigkeit, die Erniedrigung, die Beschämung sind in ihm verkapselt und bildeten den Boden für die Gewalt, die er heute seinen Kindern zufügt.
    Wir brauchen viele Sitzungen, bis wir uns Roberts verschütteten Gefühlen nähern können. Das emotionale Erinnern an seine eigene Kindheit ist wichtig, damit er nachvollziehen kann, was seine Kinder im Umgang mit ihm erleben. Alles in Robert sträubt sich, den alten Gefühlen wiederzubegegnen. Als es ihm doch schrittweise gelingt, weint er die Tränen und fühlt die Wut, die er als Kind herunterschluckte. Alte, hochaggressive Racheimpulse kommen wieder ins Bewusstsein, manchmal hatte Robert den Vater in Gedanken fast totgeprügelt, bis dieser wimmernd um Erbarmen bat. Manchmal hatte er in

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