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Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Titel: Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Konrad
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Gedanken auf seine Mutter mit dem Kleiderbügel so lange eingeschlagen, bis sie versprach, ihn und seine Geschwister nie mehr anzurühren. Bei diesen Bildern bricht Roberts letzter Widerstand, und er kann den eigenen Schmerz und den Schmerz seiner Kinder fühlen. Scham steigt in ihm auf und Schuldgefühl. Robert will raus aus diesem destruktiven Kreislauf, er will nicht, dass seine Kinder Angst vor ihm haben oder beginnen, ihn zu hassen.
    Er beginnt, Schritt für Schritt Verantwortung für seine Rolle als Vater zu übernehmen, für die Art der Beziehung, die er seinen Kindern bislang aufgezwungen hatte, und für das transgenerational übertragene gewalttätige Verhalten, das viel zu lang sein Handeln bestimmt hatte. Trotzdem hat er berechtigterweise Angst, seine Kinder weiter zu schlagen, sich in Konfliktsituationen nicht beherrschen zu können.
    Gemeinsam erarbeiten wir Methoden, um seine Impulsdurchbrüche umzuleiten: Statt in Wut auf seine Kinder loszugehen, soll er lieber kurz den Raum verlassen, bis er sich beruhigt hat. Statt gestresst von der Arbeit nach Hause zu kommen, soll er lieber noch eine Weile im Auto sitzen und Musik hören. Statt seine Bedürfnisse in der Familie zurückzustellen, soll er sie lieber formulieren und selbst dafür sorgen, dass sie umgesetzt werden, wie beispielsweise ein freier Abend, um seinem Hobby nachzugehen.
    Robert entwickelt im Laufe der Zeit ein Wunschbild, was für ein Vater er sein möchte. Obwohl es ihn große Anstrengungen kostet, nicht in sein altes Verhalten zurückzufallen, nähert er sich diesem Bild in kleinen Schritten, weil er sich an seine eigenen Verletzungen erinnert hat und nicht zurückwill in den Zustand des Verdrängens.
    Wir alle rufen unser ganzes Leben lang alte Erfahrungen wieder ab und orientieren uns an den Elternbildern, die wir kennengelernt haben. Wenn wir traumatische Kindheitserfahrungen in uns verschlossen haben, ist die Gefahr einer unbewussten Wiederholung mit unseren eigenen Kindern groß, wie es bei Robert geschehen ist. Auch Roberts Eltern waren bereits geschlagene Kinder, ebenso wie die Großeltern. Robert war der Erste, der innehielt und sein Verhalten reflektierte, und dem es schließlich gelang, den Kreislauf der Gewalt aufzulösen.
    Der Weg zu einer Veränderung ist schwer, und er bedarf einer intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und der eigenen Verantwortung. Und selbst wenn wir die besten Intentionen haben, unseren Kindern gute Eltern zu sein, selbst wenn wir alles anders machen wollen als unsere Eltern, kann die Vergangenheit unerwünschte Auswirkungen haben, so wie bei Lisa und ihrem Sohn Ben.
    »Mein Kind schlägt«, so eröffnet die 28-jährige Lisa die Sitzung. »Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, ich habe versucht, in der Erziehung mit Ben alles richtig zu machen, aber sein Verhalten wird immer schlimmer.« Der dreijährige Ben ist immer wieder verhaltensauffällig – er beißt, schlägt und tritt seine Eltern und mittlerweile auch die anderen Kinder im Kindergarten. Die junge Mutter wendet sich an mich, weil sie gehört hat, dass ich mich auf die Analyse transgenerationaler Übertragungen spezialisiert habe, denn sie befürchtet, dass ihr Sohn das gewalttätige Erbe ihres eigenen Vaters übernommen hat.
    Lisa kommt aus einer Familie, in der Gewalt zum Abendbrot und zum Sonntagsbraten verabreicht wurde. Niemand hätte es hinter der gutbürgerlichen Fassade vermutet, aber sie und ihre Geschwister wurden vom Vater grün und blau geschlagen. Dieser rühmte sich gar, zivilisierter zu erziehen als sein eigener Vater, der ihn aus heiterem Himmel misshandelt hatte, während er seine Bestrafungen ritualisiert, aber nicht minder brutal ausführte. »Viele Abende wurden wir direkt vor dem Abendessen übers Knie gelegt, wir mussten antreten, unsere Vergehen, die unsere Mutter unserem Vater schon längst gepetzt hatte, aufzählen, dann die Hosen runterlassen. Er hat uns mit dem Gürtel gehauen, fünf Schläge für kleine Vergehen, zehn Schläge für mittlere und 20 für schwere. Dann mussten wir uns, ohne zu weinen, an den gedeckten Abendbrottisch setzen und so tun, als sei nichts gewesen. Es war schrecklich, ich könnte heute noch heulen vor Wut über das, was er uns damals angetan hat.«
    Lisa schwor sich schon als Kind, dass sie ihre eigenen Kinder nie schlagen würde. Obwohl sie ihrem Vorsatz treu blieb, hat sich erneut Gewalt in ihr Leben eingeschlichen, und zwar durch ihr eigenes Kind, den dreijährigen

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