Das Blumenorakel
nach drauÃen in Richtung Lichtenthaler Allee. Vielleicht würde die frische Luft sie von ihren hochfahrenden Ideen kurieren!
Auf der Brücke, die über die Oos führte, setzte sie kurz ihren Korb ab, um sich den schmerzenden Rücken zu reiben.
Ganz allmählich verflog der Ãrger über ihre Vorwitzigkeit und sie entspannte sich ein wenig.
Wie herbstlich die Nacht schon war! Und wie der Fluss vom Bodennebel verhüllt wurde.
»Geld her oder es passiert ein Unglück!«
Bevor Flora wusste, wie ihr geschah, spürte sie einen knochigen Arm um ihren Hals. Sie wurde so grob nach hinten gerissen, dass ihr fast die Luft wegblieb. »Du bist doch diese Blumenschlampe!«, zischte eine männliche Stimme in ihr rechtes Ohr. Der Atem des Mannes roch so faulig, dass Flora unwillkürlichdie Luft anhielt. »Dich beobachte ich schon seit Längerem. Wie du mit deinen Blumen um die Reichen herumscharwenzelst, während unsereiner nichts zu fressen hat!«
Friedrich! Hilf mir! Ist da niemand? Hilfe! Flora wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Sie wollte mit dem Fuà nach hinten treten, dem Mann wehtun, so wie er ihr wehtat. Aber vor Schreck war sie wie gelähmt. Die Enge um ihren Hals lieà sie würgen.
»Gib mir endlich dein Geld!«, knurrte der Mann und drückte noch fester zu. Flora wimmerte, röchelte und hätte sich fast übergeben, als der Mann seinen Griff etwas lockerte. »Los jetzt!«
Mit zitternden Händen holte Flora ihre Geldkatze aus dem Korb, reichte sie dem Mann, dessen Augen gierig aufblitzten. Sie raffte ihren Rock, wollte davonrennen, doch er packte sie mit seiner schmutzigen Pranke ungestüm am Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich.
»Bist kein hässliches Ding. Wenn du gut genug bist für die Russen, dann bist du auch gut genug für mich.« Mit seinem heiseren Lachen überflutete Flora erneut ein Schwall üblen Mundgeruchs.
»Nein ⦠Bitte, lassen Sie mich, ich â« Flora wollte sich losreiÃen, doch er zerrte sie zum ersten Busch hinter der Brücke und stieà sie zu Boden. Ein Stein bohrte sich in Floras Knie, vor Schmerz wurde ihr schwindlig.
Mein Kind! Ich muss mein Kind schützen! Der Gedanke durchzuckte Flora wie ein Blitz, bevor sie ohnmächtig wurde.
Schon neun Uhr! Irinas Geburtstagsfest war längst in vollem Gange. Und wenn schon, dachte Konstantin Sokerov, während er die Lichtenthaler Allee entlangeilte. Er hatte eh keine Lust auf Frohsinn und Geplänkel. Lag es daran, dass sich die Saison dem Ende zuneigte und er nicht wusste, was kommen würde? Oder war die Nachricht, die er vorhin vernommen hatte, dafür verantwortlich?
So wie es aussah, waren die Tage der Spielbank gezählt. Piotr hatte etwas davon gefaselt, dass am 31 . Oktober die Kugel das letzte Mal rollen würde â unfassbar!
Eines stand fest: In einem gewöhnlichen Kurbad hatte er, Konstantin, nichts verloren, er brauchte Amüsement, Spiel und Unterhaltung. Und Orte, die all das boten, gab es auch anderswo auf dieser Welt.
Die Frage war nur, ob er diese Orte zu Gesicht bekommen würde â¦
Mehrmals hatte er versucht, Püppi zu einer verbindlichen Aussage zu bewegen. Aber scheinbar wusste sie noch nicht, wonach ihr der Sinn stand.
Als er auf die Brücke zuging, die über die Oos zum Hotel Stéphanie führte, entdeckte er die schemenhaften Umrisse zweier Personen. Ein Mann und eine Frau in enger Umarmung. Der Mann drängte die Frau in Richtung eines Busches.
Konstantin grinste. Die Leidenschaft der beiden schien ziemlich groà zu sein! Aus seiner Brust drang ein tiefer Seufzer. Es war lange her, dass er selbst solche Gefühle für eine Frau empfunden hatte. Vor Erregung nicht mehr klar denken zu können, nur noch zu fühlen, schmecken, riechen, Haut, Haare, weibliche Rundungen â¦
Sollte er die nächste Brücke nehmen, um die beiden nicht zu stören? Konstantin warf noch einmal einen Blick auf das Paar.
Seltsam ⦠Die Frau schien sich ziemlich zu sträuben, ja, der Mann schien sie regelrecht hinter sich herzuziehen! Irgendetwas stimmte da nicht â¦
Verflixt noch mal, das war kein Liebespaar! Die Frau brauchte Hilfe! Konstantin rannte los.
Lautes Rufen. Ihr Kopf auf dem harten Boden. Pochen in ihrem Knie. Die Arme des Mannes. Nicht mehr so fest um ihren Leib, vielleicht würde es ihr gelingen, sich loszureiÃen â¦
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