Das Blumenorakel
sich brachte â schonin wenigen Wochen begann in Baden-Baden die Saison! GroÃartige neue Erkenntnisse erhoffte er sich, im Gegensatz zu den Verantwortlichen in der Kur- und Bäderverwaltung, von dieser Reise nicht, dazu waren die beiden Kurorte einfach zu verschieden. Aber diese Inhalationskur, die in Bad Ems schon vor gut zwanzig Jahren eingeführt worden war, interessierte ihn sehr. Jedenfalls hatte man in Bad Ems nicht alles auf die Karte »Spielbank« gesetzt, sondern schon sehr früh den Kurbetrieb gefördert.
»Es sind doch nur zwei Wochen! Alexander können wir doch einfach mitnehmen. Ich fände es so schön, mal wieder etwas Neues zu sehen! Mich inspirieren zu lassen und â¦Â«
Friedrich steckte seine Uhr wieder in die Hosentasche, holte sein Zugbillett hervor und warf einen zerstreuten Blick darauf. »Du redest, als ob es sich um eine Lustreise handelt«, murmelte er. »AuÃerdem kannst du hier einfach nicht weg!«
Flora wandte sich von ihm ab. »Deine Einwände sind ja berechtigt«, sagte sie leise. »Aber wie oft wirfst du mir vor, dass ich nur den Laden im Sinn habe? Jetzt denke ich einmal an uns beide, und prompt ist es dir auch nicht recht. Ich glaube einfach, ein bisschen Zweisamkeit täte uns wirklich gut.«
»Ja. Nein.« Friedrich seufzte gequält. »Hättest du deinen Wunsch früher vorgetragen, hätte man vielleicht darüber nachdenken können, so aber â¦Â« Er sah Floras enttäuschte Miene und spürte eine leise Wut in sich aufsteigen. Er war gekommen, um sich einen Kuss abzuholen. Und gute Wünsche für seine Reise noch dazu. Stattdessen fühlte er sich nun gänzlich unwohl. »Warum machst du es mir eigentlich so schwer?«, platzte es aus ihm heraus. »Kannst du nicht ein einziges Mal mit dem zufrieden sein, was du hast? Kannst du nicht einfach nur eine ⦠ganz normale Frau sein? Die nicht ständig das Nächste will?«
Flora wich von ihm zurück, als habe er ihr einen Schlag versetzt.
Schon war Friedrich versucht, seine Worte zurückzunehmen, etwas Versöhnliches zu sagen. Er wollte nicht, dass ihr Abschiedmit einem Misston endete. Aber versöhnliche Worte wollten ihm ebenfalls nicht einfallen.
Die Uhr in seiner Hosentasche tickte.
»Adieu!«, sagte er schlieÃlich und ging.
»Püppi hat sich sehr über den Narzissenstrauà gefreut, sie hat sogar ein Gedicht eines deutschen Dichters dazu zitiert. Ich glaube, es war Goethe«, sagte Konstantin zu Flora, während sie in der nebelig-feuchten Morgenluft die Lichtenthaler Allee entlangstapften.
Schon begann seine Begleiterin mit dramatischer Stimme zu rezitieren: » So frühzeitige Narzissen / blühen reihenweis im Garten. / Mögen wohl die Guten wissen, / wen sie so spaliert erwarten!«
»So lautete das Gedicht! Woher kennen Sie das?« Im Gehen nahm Konstantin ihr ein Büschel Zweige ab. Sie blühten nicht wie die anderen, die Flora im Arm hatte, dafür glänzten ihre Blätter silbrig. Mit seiner freien Hand wischte er die dünnen Fäden Morgentau ab.
Schon bald wurde ihm der Arm schwer â was wollte Flora nur mit all dem Grünzeug? Und was hatte er sich nur dabei gedacht, sie auf einem ihrer Spaziergänge begleiten zu wollen? Zugegeben, sie war ein süÃes Ding und ihre Leidenschaft für Blumen hatte etwas Unterhaltsames. Auch ihre Bewunderung tat ihm gut. In den letzten Wochen hatte er sich immer öfter dabei ertappt, dass er sich vorstellte, sie sei seine Geliebte. Einmal mit dem Finger die Linie ihres schlanken Halses nachfahren, ihre junge, zarte Haut unter der seinen spüren, unter den vielen Stoffschichten ihres Rockes nach dem weiblichsten Teil ihres Körpers tasten ⦠Vielleicht würde er dann die Zeiten mit Püppi besser überstehen. Du lieber Himmel, ein bisschen Vergnügen musste ihm doch vergönnt sein!
Seine Gedanken brachen abrupt ab, als er mit dem rechten Schuh in eine Pfütze patschte.
Verflixt! Hatte er sich nicht vorgenommen, die Finger vonverheirateten Frauen zu lassen? Was machte er also in aller Herrgottsfrühe hier drauÃen?
Flora strahlte ihn an. »Johann Wolfgang von Goethe â seine Gedichte lernt bei uns jedes Kind.« Sie kratzte sich an der Nase. »Eine zweite Strophe erzählt von Lilien, aber die habe ich leider vergessen.« Die Hand mit der Schere schon in Richtung eines
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