Das Blumenorakel
was nicht, wann sie schlafen kann und wann nur ruhen. Wie es mir geht, danach fragt niemand. Während der Saison ist Baden-Baden äuÃerst unterhaltsam, aber jetzt im Winter hält sich doch nur ein sehr kleiner Kreis hier auf und â ach, dieses ewige Herumsitzen macht mich noch ganz verrückt!«
Was bist du nur für eine dumme Kuh, schalt sich Flora stumm. Wie sollte er sich seiner Malerei widmen, wenn die Fürstin ihn derart mit Beschlag belegte?
Betroffen nahm sie noch einen Schluck Champagner.
Da hob Konstantin erneut an: »Vergessen Sie meine dummen Bemerkungen. Vielleicht bin ich heute so melancholisch, weil die Ausfahrt mit Ihnen mich so glücklich macht? Vielleicht sehnt sich der Mensch aber auch immer genau nach dem, was er nicht haben kann.« Schelmisch schaute er ihr in die Augen.
Flora lachte. »Das habe ich schon mal gehört, ich weià nur nicht mehr, wo. Vielleicht haben Sie recht â¦Â« Wenigstens hatte sich Konstantins Miene wieder aufgehellt!
»Sie sehnen sich nach Ihren Wiesenblumen, ich sehne mich nach unseren russischen Freunden. Ja, vor lauter Langeweile fange ich sogar schon an, den alten Popo zu vermissen! Und Irinas Bemerkungen darüber, wie schrecklich teuer das Leben doch geworden ist.« Er schüttelte den Kopf. »Püppi steht mit vielen von ihnen in Briefkontakt, daher weià ich, dass die Gagarins, die liebe Anna und vielleicht auch Matriona und ihre Söhne zur Saison anreisen wollen. Dann ist endlich wieder für Abwechslung gesorgt. All das wird bestimmt auch Püppi guttun â¦Â«
»Sie wollen tatsächlich wiederkommen? Obwohl das Casino geschlossen ist?«, fragte Flora mit zitternder Stimme. Das wäre mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte. Wenn sie das Friedrich erzählte!
Konstantin grinste. »Wer braucht das Casino, um die Kugel rollen zu lassen? Und solange der Einsatz stimmt, findet sich auch immer eine Runde fürs Kartenspiel ⦠Oh, Schauen Sie!«Er legte seinen Arm um ihre Schulter und zeigte nach rechts, wo aus einem kleinen Wäldchen zwei Rehe hervorkamen.
»Wie bei uns auf der Schwäbischen Alb«, flüsterte Flora und lehnte sich in Konstantins Arm.
Kurz vor dem Kloster Lichtenthal bat Konstantin den Fahrer anzuhalten. Er sprang aus dem Schlitten, hielt Flora seine Hand hin.
»Wollen wir uns ein paar Minuten die Beine vertreten?«
Während der Kutscher den Pferden Heusäcke umhängte, spazierten sie los.
»Wie gut der Winter duftet ⦠So rein! Ein bisschen wie frisch gewaschene Wäsche.« GenieÃerisch hielt Flora ihr Gesicht der Sonne entgegen. Wie spät mochte es wohl sein?, fragte sie sich stumm. Hoffentlich nicht schon Mittag? Sie machte einen Sprung über eine kleine Schneewehe. Und wenn! Jetzt war es eh schon egal. Eine kleine Verrücktheit würde ihr doch mal erlaubt sein, oder? Trotzdem drehte sie nach ein paar Schritten wieder um. Es tat nicht not, den Spaziergang über Gebühr auszudehnen.
»Und die gestochen scharfen Konturen der Bäume und Häuser, nirgendwo ein bisschen Farbe, alles schwarz und weiàâ wie auf einer Bleistiftzeichnung, finden Sie nicht?«, sagte Konstantin und bog einen Ast nach oben, damit Flora darunter hindurchlaufen konnte.
»Oder wie bei einem Scherenschnitt. Aber wenigstens sind wir nicht so reglos wie diese Figuren!«, sagte Flora und warf kichernd den ersten Schneeball.
Es dauerte einen Moment, bis Konstantin merkte, dass die nasse Ladung nicht von einem der verschneiten Bäume stammte.
»Sie ⦠freches Mädchen!« Schon kratzte er selbst Schnee zusammen, doch Flora hatte ihren zweiten Ball längst geformt und feuerte ihn schwungvoll auf ihn ab.
Ein paar Minuten lang tollten sie im Schnee herum. Bald waren Floras Haare erneut nass und kräuselten sich ungebärdig. Vor lauter Lachen tat ihr schon der Bauch weh. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so unbekümmert gewesen war.
Auch Konstantin liefen Lachtränen übers Gesicht, als er versuchte, Flora, die sich immer wieder seinem Griff entwand, eine Abreibung mit Schnee zu verpassen.
Beide bemerkten sie zwar die Gruppe Nonnen, die sich am Pferdeschlitten vorbeischob, um zu einem auÃerhalb der Klostermauern gelegenen Heuschober zu gelangen, doch sie kümmerten sich nicht weiter um sie.
Bepackt mit Stroh- und Heuballen, machten sich die Ordensfrauen bald darauf
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