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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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wieder auf den Rückweg. Neugierig starrten sie dabei zu dem jungen Paar hinüber.

45 . K APITEL
    Z wei Tage später erhielt Ernestine einen Brief von Sybille. Seltsam – es war doch weder Weihnachten noch Ostern? Einen Moment lang überlegte sie, ob sie ihn am Abendbrottisch öffnen und den anderen vorlesen sollte. Ein Brief aus dem Kloster war doch schließlich etwas Besonderes, nicht wahr? Bestimmt würde Hannah sehr beeindruckt sein. Aber dann überwog die Neugier und Ernestine riss den Briefumschlag auf.
    Â»Jetzt spinnt das Mädchen vollends«, murmelte sie vor sich hin, als sie zu Ende gelesen hatte. Zu behaupten, sie hätte Flora am Dienstag mit einem fremden Mann in der Nähe des Klosters gesehen! Wie wollte denn Sybille die Schwägerin erkannt haben? Sie hatte Flora doch bisher nur einmal gesehen. Ein Hochzeitsbild von Flora und Friedrich besaß sie allerdings auch …
    Von einer Schneeballschlacht direkt vor den Klostermauern schrieb sie auch etwas, aber dieser Teil des Briefes war fastunleserlich. Sybille hatte ihn ganz schmal geschrieben, damit am Rand noch Platz war für einen Bibeltext.
    Ernestines Blick huschte in Richtung Tür. Flora und ihre Mutter waren beide im Laden – Gott sei Dank! Allein die Vorstellung, eine von beiden hätte den Brief angenommen und gelesen …
    Außerdem schrieb sie von Dienstag. Ernestine wusste ganz genau, dass Flora an jenem Tag bei der Fürstin Stropolski im Europäischen Hof gewesen war. Flora hatte sich sehr gefreut, ihre allererste Kundin so früh im Jahr begrüßen zu dürfen. Fast den halben Tag hatte sie der Frau geopfert. Doch am Ende hatte sich die Fürstin nicht entscheiden können, welche Art von Blumenschmuck sie für welche Art von Fest nun eigentlich wollte. Tja, so war es bei den reichen Leuten!
    Ernestine schüttelte den Kopf. Was hatte Sybille nur zu diesen verwirrten Zeilen getrieben? War sie eifersüchtig auf Flora und all das, was sie für die Familie erschaffen hatte? War es eine Art Gotteswahn?
    Ein bisschen seltsam war das Kind schon immer gewesen. Wenn Ernestine nur an den durchdringenden Blick dachte, den Sybille so gern aufgesetzt hatte – als ob sie sich mühte, ihre Gedanken zu lesen. Geradezu unheimlich war das manchmal gewesen.
    Die Entscheidung, sie ins Kloster zu geben, war jedenfalls richtig gewesen, befand Ernestine, während sie den Brief in den Ofen warf, wo er sich in tausend kleine Aschefetzen verwandelte. Es tat wirklich nicht not, dass Friedrich oder sonst jemand Sybilles verwirrte Zeilen zu Gesicht bekam. Und sie selbst vergaß den Brief am besten auch ganz schnell.

    Doch die Zeilen gingen Ernestine trotz ihres Vorsatzes nicht aus dem Kopf. Am Abend hielt sie es nicht länger aus. Eigentlich war es nur gut und richtig, wenn sie Flora davon erzählte, sagte sie sich. Irgendwann würden die jungen Frauen sich wieder über den Weg laufen, und Flora sollte nicht unvorbereitet sein, für den Fall, dass Sybille erneut mit ihren Fantasien anfing.

    Â»Jetzt mach nicht solch ein erschrockenes Gesicht«, sagte sie zu Flora, nachdem sie ihr haarklein den Inhalt des Briefes anvertraut hatte. »Sybille ist bestimmt nur neidisch auf euer Glück. Früher hat sie sogar schon neidisch geguckt, wenn ich meinen Bub einmal in den Arm genommen habe. Als ob ich das nicht dürfte!«
    Flora umklammerte den Arm ihrer Schwiegermutter. »Weißt du, Ernestine, an diesem Tag, also, da war –«
    Ernestine unterbrach sie mit trauriger Stimme. »Du brauchst nichts zu sagen, liebes Kind. Dir machen solche Anzeichen von Verwirrtheit Angst, und mir geht es genauso. Deshalb verstehe ich dich auch ohne Worte. Mit meiner eigenen Tochter hingegen habe ich mich nie wirklich verstanden. Wie gut, dass du bei uns bist!« Sie drückte Flora so fest an sich, dass dieser fast die Luft wegblieb.

    Die alte Bauernregel, die Flora Hannah am stürmisch verschneiten Lichtmesstag aufgesagt hatte, erwies sich im Jahr 1873 als richtig: Der Winter machte sich rasch davon, und als sich inmitten des alten Laubes die ersten Veilchen zeigten, weinte ihm keiner eine Träne nach.
    Â»Die drei Monate bei euch sind vergangen wie ein Wimpernschlag! Wo ist die schöne Zeit nur hin? Und warum müssen wir Gönninger immer Lebwohl sagen?« Hannah seufzte so schwer auf, dass Flora fast schon wieder lachen musste. Dabei war ihr auch nach Heulen

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