Das Blumenorakel
Zwerchsacks zu einem hellen Braun eingetrübt.
»Friedrich! Bitte, ich flehe dich an!« Immer wieder trommelte sie mit der Faust auf die Tür, heulte und schrie. In den Nachbarhäusern erschienen Schatten hinter den Gardinen, hie und da wurde ein Fenster geöffnet, beugte sich ein neugieriger Kopf nach drauÃen, um dem seltsamen Schauspiel beizuwohnen.
Längst war Flora bis auf die Knochen durchnässt, ihr Kleid hing schwer an ihr. Völlig entkräftet hockte sie sich auf den Boden, zog die zitternden Knie an, umfasste sie mit den Armen und legte ihren Kopf in das so entstandene Nest. Da öffnete sich über ihr ein Fenster.
»Friedrich!« Mit steifem Genick schaute Flora auf und wurde im nächsten Moment von einem Bündel derb am Kopf getroffen.
»Da â dein Blumen-ABC ! Zum Teufel damit! Und zum Teufel mit dir!«, schrie Friedrich, bevor er das Fenster mit aller Wucht wieder zuschlug.
Was für ein Wetter â wie aus dem Nichts hatte sich das Gewitter zusammengebraut! Konstantin zog seinen Hut noch tiefer in die Stirn, während der Ponywagen von Matriona Schikanowa von der Lichtenthaler Allee in Richtung Stadt abbog. Das dicke Pony schnaubte und prustete und lieà es sich trotz des strömenden Regens nicht nehmen, alle paar Schritte einen Happen saftiges Gras zu schnappen. Matriona, die ihre Kräfte niemals unnötig verschwendete, versuchte nicht einmal, das Vieh zu einer rascheren Gangart zu bewegen.
Konstantin seufzte. Dass nicht allen Gästen eine angemessene Fahrgelegenheit zur Verfügung stehen würde, hätte er sich bei Irinas Geiz eigentlich denken können.
Während sich Matriona lang und breit über die Verlobungsfeier auslieà und darüber, wie ärmlich alles doch gewesen sei, machte Konstantin ein interessiertes Gesicht und gab an den entsprechenden Stellen einen Kommentar von sich. In Wirklichkeit war er mit seinen Gedanken jedoch weit weg.
Die arme Flora! Vom Ehemann in flagranti erwischt zu werden â eine Szene wie vorhin hätte er ihr wirklich zu gern erspart. Er mochte sich nicht vorstellen, was sie zu Hause erwartet hatte. Wie hatte der Mann sie überhaupt finden können? Wer zum Teufel hatte geplaudert? Wer auÃer Irina hatte etwas von ihrem Stelldichein mitbekommen? Flora und er waren doch überaus diskret gewesen. Also bloà purer Zufall? Konstantin schüttelte den Kopf. Das konnte er sich nicht vorstellen.
»Und dann dieser schreckliche Rauch überall â alles stinkt nach Räucherfisch, riech mal!« Matrionas Arm fuhr so abrupt unter Konstantins Nase, dass er zusammenschrak.
»Welch köstlicher Duft, geradezu zum AnbeiÃen!«, sagte er und nahm scherzhaft ein Stück des nassen Ãrmelstoffs zwischen seine Zähne.
»Du alter Charmeur!« Matriona kicherte und fuhr mit ihrem Lamentieren fort.
Konstantin schloss die Augen und hoffte, sie möge nicht auch noch mit Flora anfangen.
Natürlich war es nicht ausgeblieben, dass Irina und ein paar ihrer Gäste den Zwischenfall mit Floras Ehemann bemerkt hatten. Offenbar war der Mann durch den Saal gerannt, als sei eine Horde bis an die Zähne bewaffneter Kosaken hinter ihm her!
»Ein aufgebrachter Ehemann und eine aufgelöste Gattin â du kannst froh sein, dass der Mann ein Feigling ist. Ein anderer hätte dich womöglich zum Duell gefordert«, hatte Irina ihm zugezischt. »Konstantin Sokerov, du bist und bleibst ein kleiner Gauner!« Wie einem Schulbuben hatte sie ihm einen Klaps auf den Hinterkopf gegeben, sich aber im nächsten Moment bei ihm eingehängt und gemeint, auf diesen Schrecken würden sie wohl beide einen ordentlichen Schnaps vertragen können. Popo hatte zwar von dem ganzen Drama nichts mitbekommen, schloss sich dem Schnapstrinken jedoch erfreut an.
Nach einer halben Flasche Zwetschgenwasser war Konstantin selbst nicht mehr klar gewesen, warum er seinem alten Grundsatz, nichts mit einem verheirateten Weibsbild anzufangen, untreu geworden war.
»Sehen wir uns heute Abend bei Iwan? Er meinte, es sei an der Zeit, dass er uns endlich mal das Kartenspielen beibringt. Was für ein Witz«, sagte Matriona, als der Ponywagen endlich vor Konstantins Hotel vorfuhr.
»Wahrscheinlich komme ich erst später«, erwiderte ihr Begleiter und gähnte ausgiebig. »Irgendwie hat mich dieser Nachmittag doch sehr erschöpft â¦Â« Er schnappte die Flasche
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