Das Blumenorakel
lieber zum Bäcker als zur Brezel«, sagte Kuno, wenn es wieder einmal eine Kundin abgelehnt hatte, von Flora bedient zu werden. »Das war schon immer so und ist nicht gegen dich persönlich gerichtet.«
Flora fand Kunos Worte wenig tröstlich â wie sollte sie das Blumenbindehandwerk erlernen, wenn niemand einen Strauà von ihr haben wollte? Oder war es so, dass die Leute ihr insgeheim noch immer die Sache mit der Giftpflanze übelnahmen?
Zum Glück tauchten solche düsteren Gedanken nur selten bei Floras morgendlichen Spaziergängen auf. Manchmal stapfte sie aus lauter Lust und Laune die Treppen zum Marktplatz hinauf, nur um sie kurz darauf wieder hinunterzugehen! Einmal folgte sie übermütig einem StraÃenschild mit der Aufschrift Pferdebad und landete schlieÃlich hinter dem Palais Hamilton vor einem hallenartigen Gebäude â hinein traute sie sich jedoch nicht. Baden-Baden schien wirklich viele spannende Geheimnisse zu bergen. Sie konnte es kaum erwarten, dass Friedrich ihr mehr von der Stadt zeigte.
Meistens spazierte Flora auch noch rasch über die Promenade und warf sehnsüchtige Blicke in die Auslagen der Boutiquen. So schöne Hüte! Und Handschuhe. Und Silberschmuck. Und Konfekt und Bonbons, und â¦
Lediglich das Maison Kuttner strafte sie mit Missachtung â die hochnäsigen Fräuleins konnten ihr nun wirklich gestohlen bleiben.
Im Gegensatz dazu nahmen diese Flora allmorgendlich sehr genau in Augenschein: Wann immer sie mit ihren Wiesenblumen vorbeilief, stand eine der Verkäuferinnen mit dem Besen vor der Ladentür und fegte übereifrig. Kaum erspähte sie Flora, rief sie nach ihren Kolleginnen, die sogleich nach drauÃen geeilt kamen.
»Schaut nur, was sie heute wieder anschleppt â¦Â«
»Die Arme voller Grünzeug ⦠Bald sind die Wiesen leer!«
»Die armen Kunden ⦠Bekommen nur Unkraut zu kaufen.«
»Welche Kunden? Der alte Sonnenschein hat doch kaum noch welche!« Und schon ging das Gekicher los.
Die ersten Tage gelang es Flora, die jungen Frauen mit zusammengebissenen Zähnen und stoischer Miene zu ignorieren. Sie wollte keinen Ãrger und auÃerdem war das Gerede doch allzu kindisch! Als aber eines Morgens das Wort »Waldschänderin« hinter ihrem Rücken fiel, wurde es Flora zu bunt â den Wald schändete sie beim Blumenpflücken gewiss nicht!
Zornentbrannt blieb sie stehen, drehte sich um und funkelte die Anführerin, die mit verschränkten Armen und gehässiger Miene in der Mitte stand, an.
»Ich weià zwar nicht, was ich euch getan habe, aber wenn ihr glaubt, eure dummen Reden machen mir etwas aus, dann täuscht ihr euch! Euer Geschäft mit all dem Tand ist doch nicht viel mehr als ein Kramladen â wir hingegen haben wenigstens echte Blumen im Angebot! Und eure bonbonfarbenen Schürzen würden vielleicht in eine Zuckerbäckerei passen, aber in einen Blumenladen gewiss nicht. Lächerlich wirkt das, einfach lächerlich!«
Flora rümpfte noch einmal die Nase und ging dann hocherhobenen Hauptes davon.
Sie kochte innerlich noch immer, als sie den Laden betrat. Kuno war so in seine Zeitung vertieft, dass er nicht einmal ein paar lobende Worte für ihre groÃe Ausbeute übrig hatte. Und dafür habe ich mich mit diesen Weibsbildern angelegt, ärgerte sich Flora und stapfte in den Garten, um die GieÃkanne zu holen, die sie am Vorabend dort vergessen hatte.
»Kind â du legst doch nicht schon wieder ein neues Beet an?« Flora schrak zusammen. Sie hatte die Hausherrin nicht kommen hören. »Und wenns so wäre?«, hätte sie ihr am liebsten entgegnet.
Wie die gnädige Frau dastand mit ihrer falsch zugeknöpften Bluse und ihren zerzausten Haaren â kein Wunder, dass Kuno nicht darauf bestand, dass sie im Laden half!
»Du schaust aber grimmig â so kenne ich dich ja gar nicht! Was hat dich denn so früh am Morgen schon geärgert? Doch nicht etwa Kuno?« Ernestine runzelte die Stirn.
Flora schüttelte heftig den Kopf. »Nein, es war â« Und bevor sie noch einmal darüber nachdenken konnte, platzte sie mit der ganzen Geschichte heraus.
»Bei der Lage ist es doch kein Wunder, dass das Maison Kuttner ein viel besseres Geschäft macht! Die feine Kundschaft verirrt sich halt nicht in die StephanienstraÃe â dabei kann Ihr Mann so
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