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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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vergeblich. Schon hackte der Vogel auf das Kind ein, das sich sogleich vor Schmerz zusammenkrümmte und –
    Im nächsten Moment riss Friedrich das Mädchen fort und stieß es auf den Rasen, wo es von der Gouvernante, die endlich aus ihrer Erstarrung erwacht war, aufgehoben und in Sicherheit gebracht wurde.
    Hilflos musste Flora mit anschauen, wie Friedrich nun anstelle des Kindes die Hiebe des Schwans abbekam.

    Â»Diesmal bin ich aber nicht schuld!«, sagte Flora mit piepsiger Stimme und wies auf Friedrichs Hosenbein. Dort, wo der Schwan zugeschnappt hatte, prangte erneut ein Riss. Wenn Ernestine das sah und erfuhr, dass ihr guter Bub mit dem Lehrmädchen unterwegs gewesen war …
    Â»Ich werds der Mutter ausrichten«, antwortete Friedrich mit einem schwachen Lächeln und versuchte, die Hose glattzustreichen. Blut sickerte durch den Stoff. Dennoch versicherte Friedrich Flora, dass seine Blessuren nicht der Rede wert seien.
    Erst da merkte sie, wie sehr ihr die Knie zitterten – sie wusste sehr wohl, dass der Angriff eines wild gewordenen Schwans schlimmere Folgen haben konnte als ein aufgerissenes Hosenbein! Erleichtert, dass nicht mehr passiert war, hängte sie sich bei Friedrich ein.
    Â»Ich würde sagen, nach Ihrer heldenhaften Tat haben wir uns eine Rast verdient!«

    Kurze Zeit später saßen sie auf der Terrasse des Hotels Englischer Hof. Friedrichs Augen glänzten vor lauter Aufregung, seine Wangen waren gerötet, und in Floras Augen sah er nun gar nicht mehr blass und kränklich, sondern richtig männlich aus!
    Während Friedrich belegte Brote und eine halbe Karaffe Weißwein bestellte, streckte Flora unauffällig ihre Beine unter dem Tisch von sich. Endlich!
    Die vielen Eindrücke und dazu noch die Aufregung mit dem Schwan hatten sie mehr ermüdet als jeder noch so lange Marsch durch Wiesen und Felder. Wahrscheinlich würde es Wochen dauern, bis sie alles verarbeitet hatte.
    Nachdem ein Serviermädchen den Wein eingeschenkt hatte, prosteten sie sich zu.
    Â»Eigentlich habe ich hier gar nichts verloren.« Flora machte eine weit ausholende Handbewegung, die die weiß gedeckten Tische, die feinen Kronleuchter und die elegant gekleideten Gäste einschloss.
    Â»Zugegeben, der Englische Hof gehört zu den besseren Häusern und darf sich rühmen, schon etliche berühmte Herrschaften beherbergt zu haben. Normalerweise kehre ich hier auch nicht ein, aber heute ist eben ein besonderer Tag. Außerdem möchte ich mich an einem besonderen Ort wie diesem dafür bedanken, was Sie in der kurzen Zeit aus Vaters Laden gemacht haben. Die Bäumchen vor der Tür, die neue Schaufensterdekoration, die Wiesenblumen, das schöne Porzellan – allein wäre meine Mutter nie auf die Idee gekommen, es aus dem Keller zu holen. Fast täglich spricht mich jemand auf der Straße darauf an, wie viel schöner alles wirkt.«
    Â»Das höre ich gern«, erwiderte Flora und nahm einen kräftigen Schluck Wein. »Aber –« Sie brach ab, da die Bedienung gerade zwei Teller mit den feinsten Broten, die sie jemals gesehen hatte, an den Tisch brachte: Hauchdünne Scheiben von hartgekochten Eiern, verziert mit einer roséfarbenen Mayonnaise, dazu winzige Blüten aus Radieschen, bedeckten Brotscheiben, von denen die Rinde entfernt worden war.
    Â»Du liebe Güte, das sollen belegte Brote sein?«, fragte Flora flüsternd, als die Bedienung wieder fort war. »Ich glaube nicht, dass ich es wagen werde, solch ein Kunstwerk anzuschneiden …« Skeptisch schaute sie auf das silberne Besteck, das zu ihrem Couvert gehörte.
    Friedrich schien sich über ihr Staunen zu amüsieren. »Sie müssen die Brote gar nicht anschneiden«, sagte er und klappte zwei davon zusammen.
    Â»Diese Art Brote – man nennt sie Sandwiches  – wurden einst von einem englischen Lord erfunden. Die Legende besagt, dass er ein besessener Kartenspieler war, der sein Spiel nicht einmal für eine Mahlzeit unterbrechen wollte. Also wies er seine Köchin an, seine Abendmahlzeit einfach zwischen zwei Brotscheiben zu servieren, so dass er mit einer Hand essen und mit der anderen weiterspielen konnte.« Friedrich zuckte mit den Schultern. »Obs stimmt? Ich weiß es nicht, aber da wir im Englischen Hof sitzen, sollten wir ruhig der englischen Sitte folgen …« Mayonnaise tropfte auf seinen Teller, als

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