Das Blumenorakel
gefällt«, sagte Kuno.
»Ehrlich gesagt habe ich euren Garten gar nicht so schön in Erinnerung. Aus dieser Kaffeerunde müsste man eigentlich eine feste wöchentliche Einrichtung machen, habe ich vorhin zu Ernestine gesagt. Und nun hätte ich gern einen Strauà in der Art, wie er im Gartenhaus steht.« Schon zückte sie ihr Portemonnaie.
Kunos Miene leuchtete auf. »Flora hat diesen Strauà gebunden, sie wird dir gern â«
»Ja, wirklich schön!«, unterbrach die Apothekergattin ihn. »Mir wäre es jedoch lieber, wenn du meinen Strauà bindest!«
Obwohl Ernestine nach diesem Tag rechtschaffen erschöpft war und behauptete, so bald würde sie niemanden mehr einladen, fanden sich die Frauen schon in der darauffolgenden Woche erneut zum Kaffee im Garten der Sonnenscheins ein â die Freundinnen hatten ihre Gastgeberin einfach überredet!
Die Apothekergattin brachte nicht nur Schokolade »zur Stärkung« mit, sondern auÃerdem die Gattin des Amtsrichters, die Ernestine schon immer hatte näher kennenlernen wollen und mit der sie sich auf Anhieb bestens verstand.
Nun, da Ende Juli auch noch die letzten Blüten im Beet aufgegangen waren, präsentierte sich der Garten von seiner schönsten Seite. Die sonnenwarme Luft war schwer vom Duft der unterschiedlichen Blumen â das fast aphrodisierend anmutende Aroma der Phloxstauden mischte sich mit dem lieblichen Parfüm der alten Rosenstöcke. Pfefferminze und Thymian reicherten die Luft zusätzlich mit einem Hauch pfeffriger Würze an.
Ernestines Freundinnen waren wie berauscht: Dieser Duft! Diese Farben! Diese Fülle â solche Blumen wollten sie auch in ihren Wohnungen haben! Fast jede stolzierte nach Kaffee und Kuchen in den Blumenladen und kam mit einem dicken Strauà wieder heraus.
Für Flora hatte der Zustrom neuer Kunden jedoch einen bitteren Beigeschmack: Kaum eine von Ernestines Freundinnen wollte, dass das Lehrmädchen ihre SträuÃe band. Wie sollte sie sich so als Blumenbinderin weiterentwickeln?
Allerdings lieà Kuno Flora ans Werk, wann immer sie allein waren. Kugelige BiedermeiersträuÃe, Gestecke, lange Gebinde â im Laufe der Zeit lernte sie immer neue Techniken dazu. Ihre fertigen Werke wurden dann in Wassereimer gestellt und im Laufe des Tages verkauft.
Zu Floras Freude kam auch die Gänsemagd Greta wieder: Ihr Herr, der Maler Winterhalter, sei vom ersten Strauà recht angetan gewesen, das Bild der feinen Dame nehme langsam Gestalt an, doch bis zu seiner Fertigstellung würden gewiss noch etliche SträuÃe als Malvorlage benötigt werden.
Flora machte sich jedes Mal eifrig an die Arbeit â wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte es sich um ein monumentales Werk jahrzehntelanger Malkunst handeln können, für das Dutzende von SträuÃen vonnöten waren!
20 . K APITEL
I ch sage dir, aus Flora und dem jungen Herrn wird wohl doch nichts werden â¦Â« Sabine seufzte so abgrundtief auf, dass sie ihrer Herrin damit Konkurrenz hätte machen können. Dann prostete sie ihrer Freundin Minka mit ihrem Bierglas zu.
Selbst um acht Uhr abends war es noch ungewöhnlich heià in der Stadt. So hatten die beiden Frauen spontan beschlossen, sich in der Goldenen Henne ein erfrischendes Glas Bier zu gönnen. Geschwitzt hatten sie den ganzen Tag â Sabine in der Küche der Sonnenscheins, Minka in der Wäscherei des Englischen Hofes â umso mehr genossen sie nun den Luxus freier Zeit und eines guten Tratsches. Da der Kellner ein alter Kamerad von Minka war, hofften sie auÃerdem auf kostenlosen Biernachschub. Doch bisher beobachtete die Wirtin sowohl ihn als auch die beiden Dienstmädchen mit Argusaugen â sie kannte ihre Spezis schlieÃlich gut!
»Wirklich? Aus deiner Flora und diesem Friedrich wird nichts? Hörst du nicht schon die ganze Zeit die Hochzeitsglocken bimmeln?« Minka schaute enttäuscht von ihrem Glas auf. »Du kannst doch nicht so einfach daherkommen und mir die Illusionen rauben! Ich meine, dass ein feiner Herr eine von uns zur Frau erwählt â davon träumt doch jede, oder?«
Sabine nickte missmutig. »Aber dieser Traum wird wohl nicht in Erfüllung gehen. Flora hat ja schon immer gesagt, ich würde mir was zusammenreimen und dass ich ihre Spaziergänge viel zu wichtig nehmen würde, aber â¦Â«
Minka nickte.
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