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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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guten Händen‹ , hat er gemeint, als ich kurz zögerte.«
    Nun schaute Ernestine doch auf. »Du beim Frühschoppen?« Kuno zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? In der Goldenen Henne war es sehr interessant – du glaubst nicht, wie angeregt man da über die neuesten Nachrichten Bismarck und den Kaiser betreffend diskutiert. Flora sagt, ihr Vater würde solche Frühschoppen regelmäßig besuchen. Und dass man nach dem Krieg das Leben auch ein bisschen genießen muss.« Umständlich legte er seine Zeitung zusammen.
    Ernestine langte in die Schale mit Himbeeren, die Flora am Morgen gepflückt und in die Stube gestellt hatte. Die herrlich süßen Früchte waren wirklich ein Genuss, aber – oje! Jetzt hatte sie trotz aller Vorsicht einen Tropfen Beerensaft auf das Taschentuch gekleckert, das sie für Flora bestickte.
    Â»Wenn Flora weg ist, ists auch vorbei mit meinen Nickerchen am Mittag – dabei sind die meiner Gesundheit wirklich dienlich!«
    Â»Einen Mittagschlaf wirst du dir noch gönnen können, dann machst du halt zu, so wie früher«, sagte Ernestine und betrachtete missmutig die lädierte Handarbeit. Sollte sie den Flecken gleich herauswaschen oder erst die Blume fertig sticken?
    Â»Den Laden einfach zumachen – das geht nun wirklich nicht mehr.« Kuno warf seiner Frau einen tadelnden Blick zu, den diese jedoch nicht mitbekam, weil sie gerade eine rosa Blüte auf den Flecken stickte.
    Â»Allmählich scheinen die Menschen den Krieg wirklich zu überwinden. Man selbst ist ja auch ganz frohen Mutes! Ichhoffe, dass den Menschen der Sinn fürs Schöne noch eine Weile erhalten bleibt.«
    Â»Diesen Sinn fürs Schöne hast du vor allem Flora zu verdanken«, entgegnete Ernestine. »Wenn ich mir anschaue, was sie aus deiner alten Rumpelkammer gemacht hat. Allein das Porzellan …« Sie hielt die Luft an. Würde Kuno endlich das lang erhoffte Lob aussprechen? Immerhin waren schon etliche Vasen, Schalen und Figuren verkauft worden – zu guten Preisen!
    Tatsächlich war Kuno voll des Lobes, allerdings nicht für Ernestine. »Das Mädchen hat in der Tat jede Menge Fantasie. Nicht, dass mir alles gefällt, was sie veranstaltet, ein bisschen mehr Zurückhaltung wäre da und dort schon angebracht. Aber die Sorgen ihrer Eltern, Flora könnte sich bei ihrem Reutlinger Lehrherren blamieren, ist völlig unbegründet, sie ist ein wahres Naturtalent. Hoffentlich wissen diese Leute ein so geschicktes Mädchen zu schätzen.« Er machte eine kurze Pause. Als er weitersprach, schaute er etwas verlegen drein.
    Â»Was ich noch fragen wollte … Glaubst du eigentlich, dass sich Flora in unserer Familie wohlfühlt?«
    Sich wohlfühlen? In der Familie? Wovon redete Kuno eigentlich? »Sicher tut sie das«, sagte Ernestine. »Erst heute Mittag habe ich ihr mein geliebtes Bild aus dem Esszimmer ausgeliehen. Sie wolle das Stillleben aus Obst und Blumen im Schaufenster in natura nachbilden, meinte sie. Und – hat sie es inzwischen getan?«
    Kuno nickte. »Friedrich findet die Dekoration ein wenig übertrieben.«
    Stirnrunzelnd legte Ernestine Nadel und Garn weg. »Nun ja – wäre ich je mit solch einer Idee dahergekommen, hättest du mich auch für verrückt erklärt. Aber das Mädchen hat bei dir ja Narrenfreiheit.« Sie zuckte mit den Schultern. »Der Bub ist manchmal noch altmodischer als du. Allerdings …« Sie lächelte Kuno an. »Ich bin wirklich froh, dass auf dem Bild außer Blumen und Äpfeln nicht auch noch ein toter Fisch zu sehen ist!«
    Unwillkürlich lachten sie beide auf.
    Â»Was ist denn nun eigentlich mit Friedrich und Flora?«, fragte Kuno nach einer kurzen Pause. Er hatte inzwischen die Schale mit den Himbeeren auf dem Schoß und langte mit Appetit zu.
    Â»Falls du befürchtest, Friedrich würde sich Flora gegenüber despektierlich aufführen, kann ich dich beruhigen«, sagte Ernestine. »Ich gebe zu – anfangs hatte ich gewisse Befürchtungen. Diese ewigen Spaziergänge, seine Hilfe im Garten … Luise und Gretel ziehen mich schon die ganze Zeit damit auf, dass bei uns demnächst die Hochzeitsglocken klingen werden. Aber inzwischen glaube ich, dass sie unrecht haben.« Ein Hauch von Enttäuschung schwang in ihrer Stimme mit. Wenn sie ehrlich war, empfand

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