Das Blumenorakel
können Sie sich meinen Vorschlag in Ruhe überlegen, ich meine, falls Sie doch zuerst nach Gönningen zurückfahren wollen, heute Mittag geht schlieÃlich schon der nächste Zug. Das müsste ja nicht bedeuten, dass ⦠Ich meine, wir beide wissen ja â«
»Friedrich, psst! Wenn Sie nicht kurz still sind, kann ich gar nicht nachdenken.«
»Hm«, brummte Friedrich. Er schaute Flora für einen langen Moment an, dann stand er auf und trat ans Fenster.
Im Raum war nur das Ticken der Wanduhr zu hören, doch vom Hausflur her drangen die für einen Montagvormittag üblichen Geräusche durch die Tür: die Stimme von Ernestine, die nach Sabine rief, das Klatschen des nassen Putzlumpens auf den Treppenstufen, die Ladenglocke, die ab und an bimmelte â¦
Flora lächelte. Die Stimmen der Familienmitglieder, der Tagesablauf, das Haus, der Garten und der Laden â all das war ihr inzwischen so vertraut!
Eigentlich hatte sie sich von Anfang an hier wohlgefühlt, hatte die kleinen Eigenheiten von Kuno und Ernestine ohne Probleme akzeptieren können â im Gegensatz zu der herrischen Art ihrer früheren Lehrherrin, mit der sie nie zurechtgekommen war. Das Leben im Hause Sonnenschein hatte ihr gefallen. Und was Friedrich selbst anging â¦
Nun wusste sie, mit welch schwerwiegenden Fragen er sich in den letzten Tagen gequält hatte.
Sie lächelte. Er war ein guter Mann, einen besseren würde sie wahrscheinlich nie finden.
Friedrich hatte ihr tatsächlich einen Heiratsantrag gemacht â und hatte sie dafür regelrecht vom Bahnhof weg entführt. So etwas hätte sie ihm gar nicht zugetraut!
Aus Floras Lächeln wurde ein glucksendes Lachen.
Sofort drehte er sich zu ihr um, kam zu ihr.
»Falls ich ⦠also, falls ich wirklich ⦠ja sagen würde«, sagte sie und ihr Herz pochte plötzlich wie verrückt. Sollte sie wirklich?
»Ja �«
»Dann gäbe es etwas, was wir dringend ändern müssten.« Sie lächelte Friedrich verschmitzt an.
»Und das wäre?« Friedrichs Miene war so sorgenvoll, als erwartete er das Schlimmste.
»Wir müssten endlich du zueinander sagen!«
24 . K APITEL
S ämtliche Mitglieder des Haushaltes Sonnenschein befanden sich in heller Aufregung.
Sabine war die Erste, die Flora gratulierte. »Ehrlich gesagt hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben«, raunte sie der Zimmerkameradin im Hausflur zu, während Friedrich seine Elternholte. »Ach, wie freue ich mich für dich! Aber glaub bloà nicht, du könntest mich jetzt herumkommandieren wie die gnädige Frau«, fügte sie augenzwinkernd hinzu.
Kunos Wangen glühten, als sie zu viert um den Tisch saÃen. Jovial klopfte er Friedrich die Schulter. »Gratulation, mein Sohn! Hat ja lange genug gedauert. Ehrlich gesagt hätte ich dir manchmal am liebsten in den Hintern getreten!«
»Kuno!«, zischte Ernestine. »Bitte mäÃige dich, was soll denn deine zukünftige Schwiegertochter von dir denken?«
Flora und Friedrich nahmen sich an der Hand und lachten.
Fahrig griff sich Ernestine an ihren Haarknoten, der danach aussah wie ein zerrupftes Vogelnest. »Du lieber Himmel â das ändert ja alles! Wo soll Flora denn jetzt nächtigen? Als zukünftige Frau Sonnenschein kann sie ja wohl schlecht weiterhin bei Sabine schlafen, oder? Sollen wir Sybilles Zimmer für sie herrichten? Du meine Güte, dem Mädchen muss ja auch noch jemand Bescheid sagen!«
»Mutter, beruhige dich.« Friedrich lachte erneut auf. »Flora hat gerade eben erst meinen Antrag angenommen. Das Wichtigste ist jetzt, dass wir den Mittagszug nach Gönningen noch bekommen, damit sich Floras Mutter keine unnötigen Sorgen macht. Selbstverständlich fahre ich mit, schlieÃlich möchte ich bei Floras Vater um ihre Hand anhalten.«
»Womöglich sagt der Mann nein«, murmelte Ernestine, machte eine hektische Kopfbewegung, und ihr Haarknoten löste sich vollständig auf.
»Du willst wirklich mit nach Gönningen kommen?«, fragte Flora ein wenig ungläubig. »Was ist mit deiner Arbeit?« So spontan kannte sie Friedrich gar nicht!
»Meine Arbeit â die wird mir schon nicht davonlaufen. Viel wichtiger ist doch, dass ich meine Braut nicht mehr aus den Augen lasse. Womöglich überlegt sie es sich sonst noch anders!«
Flora zwinkerte
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