Das Blumenorakel
blühte ihr Samenhandel â nach einer betriebsamen Woche konnte sie einen dicken Packen Bestellzettel in einen Umschlag stecken und nach Gönningen schicken.
Als Flora Baden-Baden Anfang Oktober verlassen hatte, war die Stadt von der hektischen Betriebsamkeit der abreisenden Gäste erfüllt gewesen.
Nun, zu Beginn des neuen Jahres, waren die StraÃen wie leergefegt. An Blumen dachten nur die wenigsten. Genügend Kartoffeln im Keller, Kohle und Holz für die Ãfen â solche Dinge waren lebensnotwendig, Besuche im Blumenladen konnte man sich hingegen sparen.
Nie hätte Flora geglaubt, dass ein Tag sich so lang hinziehen konnte. Aus lauter Langeweile räumte sie Schubladen auf oder sortierte diverses Material. Oder sie putzte die Fenster. Jetzt im Winter, wenn es drauÃen kalt, im Laden dank des kleinen Kohleofens jedoch kuschelig warm war, beschlugen die Fensterscheiben schneller, als Flora sie trockenwischen konnte. Woransie fast verzweifelte â wie sollte sie Passanten in den Laden locken, wenn diese ihre Schaufensterdekoration gar nicht sehen konnten?
Kuno, der an diversen Zipperlein litt, lieà sich zu Floras Verdruss nur selten im Laden blicken. Dabei hatte sie gehofft, so bald wie möglich ein paar Stunden freie Zeit zu haben, um in die Bibliothek gehen zu können. Mit einem Stapel Bücher hätte sie sich die langen Stunden im Geschäft bestimmt besser vertrieben.
Doch meist holte Kuno morgens nur kurz seine Zeitung aus dem Laden und kam erst gegen fünf Uhr noch einmal zurück, um abzuschlieÃen. Während der Zeit dazwischen hielt er immer wieder ein Nickerchen und ging trotzdem oftmals schon vor dem Abendessen ins Bett.
Wie kann ein Mensch nur so viel schlafen?, fragte sich Flora. Das war doch nicht normal! AuÃer ihr schien sich jedoch niemand Sorgen zu machen, alle nahmen Kunos Kränkeln in den Wintermonaten als gegeben hin.
Natürlich machte sich der magere Umsatz auch beim Speiseplan der Familie bemerkbar â Ernestine hatte ihre liebe Mühe, sich immer neue günstige Gerichte auszudenken. Es war zwar nicht so, dass die Familie regelrecht Hunger litt, aber viel fehlte dazu nicht.
Diese verflixten Saisongeschäfte!, ging es Flora mehr als einmal durch den Kopf, während sie im Laden auf Kundschaft wartete. Bei ihnen in Gönningen war es ja nicht anders â auch bei den Samenhändlern musste das Geld, das während der Verkaufsreisen im Herbst und Winter eingenommen wurde, für den Rest des Jahres reichen. Wehe dem, der es nicht schaffte, etwas auf die Seite zu legen!
An einem besonders trüben Januarmorgen war Flora gerade lustlos beim BlumengieÃen, als vor dem Laden plötzlich Gekicher ertönte. Mehrere Schatten erschienen vor der beschlagenenFensterscheibe, dann wurde die Ladentür so schwungvoll aufgerissen, dass das Glöckchen bis an die Decke hinaufsprang.
Die Schürzenmädchen des Maison Kuttner!
Floras Herzschlag verdoppelte sich abrupt, und ihr lief es abwechselnd heià und kalt über den Rücken, als sie daran dachte, was sie den Frauen kurz vor ihrer Abreise nach Gönningen so vollmundig zugerufen hatte. Kuckucksspucke â damals hatte sie doch nicht ahnen können, dass sie und Friedrich â¦
»Da ist sie ja, die gnädige Frau Sonnenschein, inmitten all ihrer groÃartigen Ãberraschungen. Ich muss schon sagen, ich bin sehr beeindruckt!«, sagte die Anführerin und schaute sich mit übertrieben aufgerissenen Augen im Laden um.
Flora konnte nicht anders, als ihrem Blick zu folgen. Da waren die Eimer mit den einsamen NelkensträuÃen, dem Tannengrün und den vorgetriebenen Apfelzweigen, die bisher noch nicht richtig blühen wollten. An der Decke die Büschel mit den Trockenkräutern und Trockenblumen, im Laden verteilt die magere Auswahl an Topfblumen. Im düsteren Licht der Ãlfunzel sah dies alles mehr als ärmlich aus.
»Wahrscheinlich bin ich ein bisschen schwer von Begriff«, sagte die Anführerin zu ihren beiden Begleiterinnen, »aber eines ist mir noch nicht ganz klar ⦠Mit welchen groÃartigen Geschäftsideen will unsere kleine Waldschänderin in diesem Winter wohl die Kundschaft beglücken?«
Flora biss sich auf die Lippen. Das hatte sie nun von ihrem Getöse! Am liebsten hätte sie die Weibsbilder eigenhändig aus dem Laden geworfen.
»Das ist doch ganz einfach«, erwiderte
Weitere Kostenlose Bücher