Das Blumenorakel
dadurch möglich geworden, dass Flora den Baden-Badener Samenstrich in diesem Jahr allein bearbeiten würde, was ihr insgeheim ziemliche Bauchschmerzen bereitete. Würden die Kunden bei ihr genauso gut einkaufen wie bei Hannah?
Trotzdem freute sich Flora auf die Stadt. Sie konnte es kaum erwarten, das »Nest« zu begutachten, das Friedrich für sie beide geschaffen hatte.
Nachdem Seraphine ihr in Bezug auf die Blumensprache einen Floh ins Ohr gesetzt hatte, brannte Flora auÃerdem darauf, mehr Material zu diesem Thema zu sammeln. Friedrich, dem sie schon von ihren Plänen erzählt hatte, wollte sie sobald wie möglich in die Bibliothek begleiten. Er riet ihr jedoch, dem von Natur aus eher skeptischen Kuno vorerst nichts von ihren Ideen zu erzählen, was Flora nicht gerade schwerfiel â schlieÃlich war sie selbst sich ihrer Sache alles andere als sicher.
Konnte es ihr tatsächlich gelingen, mit Hilfe der Blumensprache die Kurgäste in den Laden zu locken? Oder stellten sich Seraphine und der Vater das mit dem »groÃen Theater für die Kurgäste« zu einfach vor?
In Baden-Baden angekommen, war Flora begeistert von den beiden Zimmern, die sie fortan mit ihrem Ehemann bewohnen würde: Das Ehebett und ein groÃer Schrank standen in Sybilles einstiger Kammer, aus seinem alten Zimmer hatte Friedrich eine Art gute Stube gemacht, mit einem Flickenteppich auf dem Boden und zwei Blumenbildern an der Wand über einem alten Sofa.
»Endlich habe ich wieder meine Ruhe«, sagte Sabine grimmig, während sie Flora half, ihre Sachen in Friedrichs Schrank zu verstauen. Aber Flora kannte die Magd gut genug, um zu erkennen, dass ihr nicht wohl war beim Gedanken, Flora nun zur »Herrin« zu haben.
Sie legte einen Arm um Sabines Schulter. »Dass ich fortan ein Stockwerk tiefer wohne, ist das Einzige, was sich zwischen uns ändert. Wehe, du rufst mich jetzt Frau Sonnenschein! Für dich bin und bleibe ich Flora.«
»Meinst du? Ich kann doch nicht â«
»Doch du kannst! Lass uns einfach keinen groÃen Aufstand darum machen, in Ordnung?«
Erleichtert begab sich die Magd nach diesem Gespräch in die Küche und Flora ging ebenso erleichtert in den Laden.
Auch nach ihrer Heirat blieben Flora und Friedrich beste Freunde, und dementsprechend gut funktionierte das Zusammenleben. Jetzt im Winter war Friedrichs Anwesenheit in der Trinkhalle nicht ständig gefragt, er machte zwar täglich mehrere Kontrollgänge, um sicherzugehen, dass sich dort keine Landstreicher einnisteten, aber alles in allem hatte er viel mehr freie Zeit als während der Kursaison. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten er und Flora einen noch viel gröÃeren Teil davon im Bett verbracht, denn mit jeder Liebesnacht schwand die Unbeholfenheit der beiden ein wenig mehr, bei jedem Liebesakt wurde das Paar miteinander vertrauter, ihre Bewegungen sicherer. Bald wusste Friedrich, dass Flora es zwar genoss, wenn er ihre Brüste streichelte, ihn aber abwehrte, wenn er diese zu küssen versuchte. Und Flora lernte schnell, dass Friedrich ein wenig Hilfe dabei gebrauchen konnte, seinen Weg zu finden, dass sie danach aber am besten ganz still lag.
So fühlte es sich also an, Mann und Frau zu sein â¦
Beide genossen die zärtlichen Stunden dieser langen, dunklen Winternächte, aber kaum wurde es morgens hell, schwang Flora unternehmungslustig die Beine aus dem Bett.
Vielen der Gärtner, die sie im Winter zuvor mit der Mutter besucht hatte, war Flora im Laufe der Zeit immer wieder einmal auf der StraÃe begegnet. Man kannte sich, grüÃte und wechselte ein paar Worte. Daher wussten die meisten, dass sie in den Blumenladen Sonnenschein eingeheiratet hatte. Dass sie nun gleichzeitig auch als Tochter der Samenhändlerfamilie Kerner aus Gönningen unterwegs war, schien die Leute nicht allzu sehr zu verwirren.
»Hauptsache, ich kann wie gewohnt meine Sämereien bestellen«, sagte der Gärtner des Holländerhofes.
Und Gärtner Flumm bemerkte, nachdem er seine Bestellung losgeworden war: »Ich hätte ein Dutzend besonders schöne Orchideenpflanzen anzubieten. Eigentlich sind die fürs Maison Kuttner gedacht, aber von mir aus kannst du sie haben.«
Sehnsuchtsvoll lugte Flora auf die Töpfe mit den rosafarbenen Schönheiten. »Ich befürchte, so etwas Exklusives können wir uns noch nicht leisten.«
Aber immerhin
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