Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
würde. Glücklicherweise hatte sein Zimmer kein Schloss. Nur ans Fenster hatten sein Dad und Vasiliy Eisenstangen montiert, innen statt außen,
fest an die Stahlträger in der Mauer geschraubt - die Überbleibsel eines Käfigs, von dem Setrakian behauptete, er habe ihm in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts wertvolle Dienste geleistet.
Zack war klar, dass sie ihn nicht einsperren wollten.
Sie wollten sie aussperren.
Er versuchte, das Profil seines Vaters auf der CDC-Homepage anzuklicken, und erhielt die Nachricht: SEITE KANN NICHT ANGEZEIGT WERDEN. Sie hatten ihn also aus den Regierungsseiten herausgelöscht. Auf verschiedenen Nachrichtenseiten, die er nach »Dr. Ephraim Goodweather« durchsuchte, stand, dieser sei ein in Ungnade gefallener CDC-Beamter, der ein Internetvideo fabriziert habe, auf dem »seiner Behauptung nach« die Tötung eines in einen Vampir verwandelten Menschen zu sehen war. Dieses Video habe er ins Internet gestellt (in Wahrheit hatte Zack es für ihn hochgeladen, und trotzdem durfte er es sich nicht ansehen), um die nach der Sonnenfinsternis ausgebrochene Panik für seine eigenen sinisteren Ziele zu missbrauchen.
Die letzte Behauptung war natürlich gequirlte Kacke - Dads einziges »Ziel« war es, Leben zu retten.
Eine andere Website beschrieb Goodweather als einen »bekannten Alkoholiker, der in einem langwierigen Sorgerechtsprozess steckt und sich mittlerweile mit seinem Sohn auf der Flucht befindet«. Als er das las, wurde Zack das Herz schwer. Im selben Text stand, sowohl Goodweathers Exfrau als auch ihr Freund würden derzeit vermisst und seien vermutlich tot.
In den letzten Tagen war Zack vieles auf den Magen geschlagen, aber die Lügen, die dieser Bericht verbreitete, waren ganz besonders schlimm. Kein einziges Wort stimmte. Kannte denn niemand die Wahrheit? Oder … interessierte sich einfach niemand dafür? Es war aber auch möglich, dass hier jemand die Probleme, die seine Eltern hatten, »für seine eigenen sinisteren Ziele« missbrauchen wollte.
Die Kommentare zu den Artikeln waren noch schlimmer. Aber im Moment konnte er sich nicht um diese Flut anonymer Beschimpfungen kümmern, in denen mit selbstgerechter Arroganz über seinen Vater hergezogen wurde. Was Zack beschäftigte, war die schreckliche Wahrheit über seine Mutter - dagegen wirkten die giftigen Kommentare in den Blogs und Foren einfach nur banal.
Wie soll man um jemanden trauern, der gar nicht richtig gestorben ist?
Wie soll man jemanden fürchten, der sich in alle Ewigkeit nach einem sehnt?
Würde die Welt die Wahrheit kennen, so wie Zack sie kannte, dann wäre der Ruf seines Dads im Nu wiederhergestellt und man würde ihm endlich zuhören - doch leider würde sich ansonsten nichts ändern.
Seine Mom, sein ganzes Leben würden nie wieder so sein wie früher.
Zack wusste das - und doch wünschte er sich, dass irgendetwas geschah, was alles wieder ins Lot rückte, die Normalität wiederherstellte. Einmal, als Kind, also mit fünf oder so, hatte er einen Spiegel zerbrochen. Er hatte ihn schnell mit einem Laken bedeckt und sich dann mit aller Kraft gewünscht, dass er wieder heil wäre, bevor seine Eltern die Bescherung bemerkten. Genauso sehr hatte er sich gewünscht, dass sich seine Eltern wieder ineinander verlieben würden, dass sie eines Tages einfach aufwachen und sich eingestehen würden, einen schweren Fehler gemacht zu haben.
Und so hoffte er jetzt in seinem Innersten, dass sein Dad das Unmögliche möglich machen würde. Gegen jeden Widerstand. Zack hielt ein Happy End nach wie vor nicht für ausgeschlossen. Und zwar für alle. Vielleicht sogar für seine Mutter - wenn sie denn wieder so sein würde wie früher.
Tränen stiegen in ihm auf, und dieses Mal kämpfte er nicht dagegen an, schließlich war er allein auf dem Dach. So
sehr wollte er seine Mutter wiedersehen! Allein bei dem Gedanken an sie bekam er Angst - und trotzdem sehnte er sich nach ihr. Er wollte in ihre Augen sehen. Wollte ihre Stimme hören. Wollte, dass sie ihm das Problem in ihrer ruhigen Art erklärte, wie sie es immer mit komplizierten Dingen getan hatte. Alles wird wieder gut …
Ein Schrei in der Nacht riss ihn aus seinen Gedanken. Zack blickte nach Norden. Die West Side stand in Flammen, eine dunkle Rauchsäule stieg in die Luft. Er sah zum Himmel, konnte jedoch keinen einzigen Stern und nur wenige Flugzeuge erkennen. Dabei waren heute Nachmittag sogar Kampfjets zu hören gewesen.
Er rieb sich das Gesicht mit der
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