Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
des berüchtigten Londoner Exzentrikers und Gelehrten William Beckford. Es war Teil seiner Bibliothek auf Fonthill Abbey, einem gewaltigen Anwesen im neogotischen Stil, Schauplatz zahlreicher Orgien und Exzesse. Beckford sammelte dort »verbotene« Bücher, Kuriositäten natürlichen und widernatürlichen Ursprungs sowie allerlei skandalöse Kunstobjekte. Das Anwesen samt Sammlung ging jedoch zur Begleichung einer Schuld an einen Waffenhändler, und Avigdor Levys Text blieb wieder fast ein Jahrhundert lang verschollen. 1911 wurde er auf der Liste einer Auktion in Marseille geführt, irrtümlicherweise - oder auch mit Absicht - unter dem Titel Casus Lumen . Das Buch selbst wurde jedoch nie zur Ansicht ausgestellt, und die Auktion fand wegen einer mysteriösen Seuche, die die Stadt befiel, nie statt. Seither war man davon ausgegangen, dass das Occido Lumen vernichtet worden war.
Doch nun befand es sich hier. In New York.
15 bis 25 Millionen Dollar … Wie sollte Setrakian so viel Geld auftreiben? Das war ein Ding der Unmöglichkeit - es musste einen anderen Weg geben, an das Buch zu gelangen.
Seine größte Sorge allerdings - die er mit niemandem teilte - war, dass dieses Spiel, das vor so langer Zeit begonnen hatte, bereits verloren war. Dass der König, der die Menschheit repräsentierte, bereits im Schach stand und nur noch trotzig letzte sinnlose Züge auf dem weltumspannenden Spielbrett ausführte.
Der alte Professor schloss die Augen. Das Summen in seinen Ohren wurde lauter und lauter. Warum taten die Pillen ihre Wirkung nicht?
Und dann begriff er.
Das Summen hatte nichts mit seiner Krankheit, seiner Gebrechlichkeit zu tun. Es war ein durchdringender, tiefer, kaum hörbarer Ton.
Sie waren nicht allein.
Der Junge , dachte Setrakian.
Pick-pick-pick.
Eine Mutter war auf der Suche nach ihrem Kind.
Zack Goodweather saß im Schneidersitz auf dem Dach der Pfandleihe, den Laptop seines Dads aufgeklappt vor sich. Das Dach war der einzige Ort im ganzen Gebäude, wo er Verbindung ins Internet hatte - indem er sich das ungesicherte Heimnetzwerk eines Nachbarn zunutze machte. Das Funksignal war erbärmlich schwach, die Statusanzeige wies lediglich einen bis zwei Balken auf, und so ging seine Internetrecherche nur quälend langsam voran.
Sein Dad hatte ihm verboten, den Computer zu benutzen, und überhaupt sollte er in diesem Moment eigentlich in seinem Schlafsack liegen, aber der Elfjährige hatte auch in normalen Nächten Schwierigkeiten, einzuschlafen - eine leichte Form der Agrypnie, die er seinen Eltern seit geraumer Zeit verheimlichte.
Insomni-Zack! Das war der Name des ersten Superhelden, den er sich ausgedacht hatte. Er hatte sogar einen achtseitigen
Comic über ihn gemacht - geschrieben, gezeichnet und getuscht von Zachary Goodweather. Darin ging es um einen Jugendlichen, der nachts durch die Straßen von New York streift, um Terroristen und Umweltverschmutzern und sonstigen bösen Buben das Handwerk zu legen. Den Faltenwurf des Capes, das der Superheld trug, bekam er nie so richtig hin, dafür konnte er ziemlich gut Gesichter zeichnen, und auch die Darstellung der Muskeln war ganz okay.
Ein Insomni-Zack war genau das, was die Stadt jetzt brauchte. Schlaf war ein Luxus, den sich niemand mehr leisten konnte - jedenfalls niemand, der wusste, was Zack wusste, oder gesehen hatte, was er gesehen hatte.
Sein Daunenschlafsack lag im Gästezimmer im zweiten Stock. Der Raum roch so muffig wie einige von den Zimmern im Haus seiner Großeltern, die außer neugierigen Kindern niemand mehr betrat. Offenbar hatte ihn Mr. Setrakian (oder Professor Setrakian - Zack hatte noch nicht so richtig kapiert, ob er nun Professor war oder nicht und was es überhaupt mit der Pfandleihe auf sich hatte) jahrelang als Abstellkammer benutzt. Zwischen schiefen Bücherstapeln standen jede Menge alte Spiegel, eine Garderobe voll eingemotteter Klamotten und einige verschlossene Kisten. Die Schlösser an den Kisten waren wirklich gut - nicht so billige, die man mit einer Büroklammer und einem Kugelschreiber öffnen konnte, was Zack natürlich sofort versucht hatte.
Dieser Kammerjäger, Vasiliy Fet (oder V, wie Zack ihn nennen sollte), hatte ihm eine uralte Acht-Bit-Nintendo-Spielkonsole an einen Sanyo-Fernseher angeschlossen, der noch mit Drehreglern bedient wurde; er hatte die Sachen zwischen dem ganzen Krempel im Erdgeschoss gefunden. Und jetzt erwarteten sie alle von Zack, dass er Ruhe geben und The Legend of Zelda spielen
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