Das Blut der Akkadier - Serienspecial (German Edition)
jenes kleine Ritual tatsächlich jeden Morgen abgehalten hatten. Wenn sie abends nach Hause gekommen war, hatte sie ihm stets eine Praline mitgebracht und auch selbst immer so köstlich nach Schokolade gerochen.
Beinahe glaubte er, sogar den Geruch heute wahrnehmen zu können. Was natürlich absurd war. Er stand auf einem Friedhof, unter ihm die knöchernen Überreste toter Menschen. Da konnte es wohl kaum nach Schokolade duften.
Ich rieche es auch , meldete sich Naham zu Wort. Wie ein warmer Schwall überkamen ihn die Instinkte der Bestie und sensibilisierten seine Wahrnehmung. Sein Herz schlug schneller. Das Blut beschleunigte. Er drehte sich um sich selbst und spähte in die Ferne, atmete immer wieder durch die Nase ein. Heilige Muttergöttin! Das war keine Einbildung. Es roch nach Schokolade, doch der Wind wehte so unbeständig, dass Brix nicht ausmachen konnte, woher das Aroma kam. Wie war das möglich? Warum zum Teufel duftete diese elend heiße Sommernacht ausgerechnet danach? Nach seiner Dotty?!
Der Angriff kam so plötzlich, dass Brix nicht einmal Zeit hatte, seine Waffen zu ziehen. Er stoppte den Schwerthieb, der auf seinen Oberkörper zuraste, mit dem bloßen Unterarm und biss die Zähne zusammen, als die Klinge tief ins Fleisch eindrang. Die grinsende Fratze eines Taryk erschien in seinem Blickfeld – dunkelgraue Haut, schwarze Augen, widerlicher Gestank.
„Falscher Tag!“, knurrte er und holte sein Kurzschwert mit der linken Hand unter dem Mantel hervor. „Falscher Ort!“ Er stieß das Eisen gekonnt nach vorn und verfehlte den Mistkerl. Hinter ihm wurden Schritte laut. Mit der rechten Hand zog er den aus Metall gefertigten und an allen Seiten geschärften Bumerang und schleuderte ihn in einer Drehung nach hinten, wehrte gleichzeitig den nächsten Angriff ab und orientierte sich binnen eines Wimpernschlags. Fünf Taryk umzingelten ihn. Nicht leicht. Aber machbar. Drei besaßen lächerlich dünne Schwerter, die er zwischen zwei Fingern zerbrechen könnte. Bei den anderen zwei konnte er keine Waffen erkennen. Doch ohne trauten die sich normalerweise in kein Gefecht. Ihre körperliche Unterlegenheit einem Unsterblichen wie Brix gegenüber konnten sie nur damit wett machen.
Akkadier gegen Taryk – Gut gegen Böse. Vor Äonen kämpfte im Himmel die Kriegsgöttin Ishtar gegen den Gott der Unterwelt Nergal. Die Schlachten gingen meist unentschieden aus. Und Brix hatte da seine ganz eigene Theorie, warum dieser Krieg nun auf Erden ausgetragen wurde. Die Götter hatten einfach keine Lust mehr, sich die Hände schmutzig zu machen, und schickten das Fußvolk in die Spur.
Das ist Gotteslästerung!
„Sei still und hilf mir lieber!“
Brix ließ seine Bestie so nah an die Oberfläche, dass er mit ihren Augen und ihrer Stärke derart schnell und vorausschauend kämpfen konnte, wie es ihm selbst nicht möglich war. Er stürzte sich auf die Meute, fing seinen Bumerang im Flug auf und warf ihn erneut. Das Einzige, was ihn fortwährend irritierte, war der Duft von Schokolade, den er auch jetzt noch wahrnehmen konnte.
Ella saß mit ausgestreckten Beinen auf dem Dach des ‚Don Aitken Centres‘ gegenüber dem ‚East Perth Cemetery‘ und beobachtete, wie Brix den Arsch versohlt bekam. Sie griff in den Pappeimer, der neben ihr stand, und stopfte sich eine Hand voll Popcorn in den Mund, kaute genüsslich darauf herum und spülte alles mit einem großen Schluck Bananen-Milchshake hinunter.
„Idiot“, murmelte sie, als er den nächsten Hieb einsteckte. „So ein großer, kräftiger Kerl und weiß sich nicht zu bewegen.“
Dabei war die Zweiwaffentaktik gar nicht dämlich. Mittels Bumerang hielt er die Mehrheit der Angreifer auf Abstand und nahm sich mit dem Kurzschwert einen nach dem anderen vor.
„Na geht doch!“, rief sie aus, als er den ersten einen Kopf kürzer machte. Die dunkelhaarige Fratze des Taryk verpuffte zu schwarzem Rauch, genau wie der hagere Körper, bevor er zusammensacken konnte. Taryk, oder auch Seelenhuren, wie Ella sie gern nannte, bestanden aus nichts mehr als schwarzer Aura. Knochen, Muskeln und Haut waren nur imaginär und lösten sich auf, sobald man sie ausreichend verwundete. Da hatten Akkadier schon mehr Bestand. Verletzungen heilten, sofern sich Naham dazu bequemte. Selbst abgeschlagene Gliedmaßen wuchsen nach. Ella streckte ihren linken Arm nach vorn und betrachtete den Fortschritt ihrer letzten Amputation. Sah schon wieder richtig schick aus. Ihre Haut hatte das
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