Das Blut der Lilie
Jahrhundert nicht
ab. Ich meine, er glaubt nicht, dass ich tatsächlich durch eine Art Zeitkapsel
gegangen bin. Was ich ihm nicht verdenken kann. Weil ich mir selbst nicht mehr
so sicher bin.
»Aber es hat sich total real angefühlt«, erklärte ich ihm.
Wir saÃen in seinem Wagen und steckten auf dem Weg zu einem Café, wo ein paar
Freunde von ihm spielten, in der Nähe des Carrefour de lâOdéon im Stau. Ich war
mit zehn Stichen an der Stirn genäht worden, und mit noch einigen mehr am
Brustkorb. »Paris im achtzehnten Jahrhundert, die Katakomben, Amadé â das alles
hat sich so real angefühlt. Selbst wenn es bloà in meinem Kopf stattgefunden
hat. Aber es ist doch verrückt, oder? Sich vorzustellen, dass ich wirklich in
die Zeit der Revolution zurückgekehrt bin? In eine Epoche, die vor zweihundert
Jahren zu Ende gegangen ist?«
Er antwortete mir nicht sofort. Er blickte an mir vorbei zum
Fenster hinaus. Ich folgte seinen Augen und sah, was er sah â eine hoch
aufragende Statue von Danton.
»Ich weià nicht, Andi«, sagte er schlieÃlich. »In gewisser
Weise ist sie zwar zu Ende gegangen, aber irgendwie sind sie alle immer noch
da. Wie rastlose Geister, die uns über die Schulter blicken. Sie wollten die
bestmöglichen Dinge â Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Es war ein
schöner Traum. Schade, dass sie es nicht hingekriegt haben. Schade, dass es uns
nicht gelungen ist.«
Dann hörten wir ein lautes Hupkonzert. Die Autos vor uns
hatten sich in Bewegung gesetzt. Virgil legte den ersten Gang ein. »Im Leben
geht es doch eigentlich überhaupt nur um Revolution, oder?«, fügte er hinzu.
»Um die in uns selbst, meine ich.«
Ich beobachte ihn jetzt, wie er mit Rémy herumalbert. Das tue
ich gern, ihn betrachten, bevor er merkt, dass ich ihn betrachte. Er trägt das
Ãbliche â Jeans und Kapuzenshirt. Die Ãrmel sind hochgeschoben. Unter einem
Ãrmel spitzt ein Verband hervor.
Vor einer Woche gab es Schwierigkeiten in seinem Viertel. Er
kam gerade von der Spätschicht nach Hause. Vor seinem Haus gab es eine Schlägerei.
Er versuchte einzugreifen und wurde mit einem Messer verletzt. Der Angreifer
zielte auf sein Herz. Virgil hielt ihn mit dem Arm ab. Um Haaresbreite. Doch um
Haaresbreite hat gereicht.
Jetzt dreht er sich um, sieht mich und strahlt übers ganze
Gesicht. Sein Strahlen gilt mir. Und mein Herz ist so voller Liebe, dass es weh
tut. Für diesen Mann, den ich gefunden habe. Für den Bruder, den ich verlor.
Für die Mutter, die zurückkam. Für den Vater, der es nicht tat. Voller Liebe
für ein Mädchen, das ich nie kannte und nie vergessen werde. Für ein Mädchen,
das mir den Schlüssel gab.
Sie dreht sich weiter, diese Welt, stumpfsinnig und brutal.
Aber ich mache dabei nicht mit.
Ich nicht.
Dank
Mein Dank gilt meinem Lektor, Thomas Tebbe, und allen im Piper Verlag.
Ich danke Gabriel Byrne und Barry McGovern für die
freundliche Beantwortung meiner Fragen zur Schauspielkunst, und Nathalie
Merchant und Anna Wayland, die mir zeigten, was es mit den Moll-Tonarten, dem
Wahnsinn und der Musik auf sich hat. Danke an Thomas Hagen, dessen wundervolle Gemälde
die Inspiration für Mariannes Stillleben darstellten.
Ich danke dem Historiker Christian Boulez, Dr. Hal Buch, der
Romanautorin Valerie Martin, der Sängerin Sonia Mâbarek und Lionel Morissé, dem
Bäcker bei Poilane, für ihre Sachkenntnis und ihren Rat, und, in Monsieur
Morissés Fall, für sein unglaublich gutes Brot.
Ich danke den jungen Musikern im Bard-College-Konservatorium
und ihren Lehrern für die Liebe und Hingabe an die Musik und für die
Inspiration, die sie mir gaben.
Danke, Steve Malk, dass du mein Agent und Freund bist, und
dass du mir von den Decemberists erzählt hast.
Ich danke meinen Eltern Wilfriede und Matt Donnelly, weil sie
mir die Liebe zu Büchern und zur Geschichte beibrachten, und nicht zulieÃen,
dass ich die erste Fassung dieses Buches in den Teich warf.
Und vor allem danke ich meinem Douglas und meiner Daisy für
ihre Liebe, weil sie immer da sind, und mir den Schlüssel gaben.
Ãbersetzung der Songtexte
Banloser
Hey ho Banloser
Nennt mich Räuber, Säufer
Drogenjunkie
Hey ho Banloser
Nennt mich Stütze-BescheiÃer
âNen arbeitsscheuen Wohlfahrts-Betrüger
Ich will nicht mein Leben lang
Ein
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