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Das Blut der Medusa

Das Blut der Medusa

Titel: Das Blut der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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offene Fenster in seiner Nähe, rannte hin und schaute hinaus.
    Manchmal hat man Glück. So erging es mir mit dem fahlen Mondlicht. Es floß über die blanken Felsen, die an manchen Stellen wie ein Spiegel wirkten. Auch dort, wo ich die Gestalt weglaufen sah. Sie turnte geschickt über das Gestein. Wenn ich mich nicht irrte, handelte es sich bei ihr um eine Frau.
    Blonde Haare wehten wie ein Schleier, das Gewand flatterte im herabfallenden Wind, und die Frau drehte sich noch einmal um, bevor sie verschwunden war.
    Ein Felsvorsprung hatte mir die Sicht auf sie genommen. Hinter mir hörte ich erstickt klingende und schluchzende Laute. Clarissa war mir gefolgt und hatte sie ausgestoßen.
    »John…«
    Sie stand neben der Couch und hielt beide Hände gegen ihre Wangen gepreßt. Ich drückte sie zur Seite, damit ich den Griechen besser erkennen konnte. Er lag vor uns wie tot.
    Aber er war noch nicht gestorben. Er lebte. Sein Gesicht war zu einer fürchterlichen Grimasse verzerrt. Einen Arm hatte er angewinkelt und so weit erhoben, daß er auf dem Unterkörper lag. Die Hand war gekrümmt, so daß die Finger eine Klaue bildeten und mit ihren Nägeln nach unten zeigten.
    Alles war so steif und bewegungslos. Ich bekam meinen fürchterlichen Verdacht bestätigt, als ich meine Rechte auf seinen Oberschenkel drückte und keine Haut mehr spürte. Dafür jedoch einen ungewöhnlich harten Widerstand.
    »Stein«, sagte ich leise. »Sein Bein besteht aus Stein.«
    Und nicht nur sein Bein. Auch die anderen Teile des Körpers waren bereits versteinert.
    Bis auf das Gesicht!
    Stavros erkannte uns. Er bewegte seine Lippen, über die Speichel rann. Ich ahnte, was er wollte und beugte mich so weit zu ihm hinunter, daß er flüsternd sprechen konnte und ich ihn auch verstand.
    »Insel der Toten… Besuch bekommen… Medusen… sie haben… sie haben…«
    »Wo ist die Insel?«
    »Nicht weit… Hydra… Vorsicht… die Gärten… das Blut der Medusa. Ein Erbe… sie haben es…«
    Es waren seine letzten Worte. Dafür hörten Clarissa und ich ein widerliches Knirschen, das uns beiden eine Gänsehaut über den Rücken trieb. Der Mund blieb so verzerrt, wie er bei den letzten Worten des jungen Griechen gewesen war. Die Augen verloren das Leben. Vor uns lag ein versteinerter Toter.
    Ich wandte mich ab.
    Clarissa schaute mich an, ohne mich eigentlich zu sehen. Ihr Blick war nach innen gekehrt. Zum ersten Mal hatte sie diesen Schrecken der Medusen erlebt. Sie wußte nun, wie diese Wesen es schafften, die Menschen zu vernichten.
    »Erstarrt!« hauchte sie mit einer ihr selbst fremden Stimme. »Er ist zu Stein geworden.«
    »Ja, die alte Legende oder der alte Fluch hat sich auf schlimme Art und Weise erfüllt.«
    »John — wieso?«
    »Es war eine Frau«, sagte ich leise. »Ich habe sie sogar gesehen, als ich aus dem Fenster schaute. Sie mußte ihn besucht haben. Sie schaute ihn an…«
    »Dann sind bestimmt Schlangen auf ihrem Kopf gewachsen, nicht wahr?«
    »Das kann sein.« Ich dachte an die blonden Haare. »Wenn es stimmt, müssen sie sehr hell gewesen sein.«
    »Sie haben sich gerächt«, hauchte Clarissa. »Sie haben sich schrecklich gerächt. Ich begreife das alles nicht.«
    »Laß uns gehen.«
    »Und die Polizei?«
    »Wir werden sie nicht informieren. Andere Dinge sind jetzt wichtiger. Durch lange Verhöre würden wir zuviel Zeit verlieren.«
    Clarissa hob die Schultern. »Andere werden den Schrei auch gehört haben.«
    »Bestimmt sogar, nur sind sie nicht gekommen, um nachzuschauen, das ist der Unterschied.« Ich ging tiefer in den Raum hinein und schloß das Fenster, um den Durchzug zu stoppen. Für die Dauer einiger Herzschläge schaute ich wieder gegen die Felsen, wo sich noch immer das Mondlicht wie ein blasser Spiegel abzeichnete.
    Von der Frau sah ich nichts mehr. Entweder war sie längst zu ihren Medusen zurückgekehrt, oder sie beobachtete das Haus aus ihrem Versteck hinter der Felsnase.
    Die Medusen gingen mir nicht aus dem Kopf. Ich war mir so gut wie sicher, daß eine von ihnen den Griechen Stavros auf dem Gewissen hatte. Er war zu Stein erstarrt, er mußte seiner Mörderin ins Gesicht gesehen haben.
    So wie es die Sage erzählte. Ich dachte auch daran, daß es nicht nur eine Medusa war — das wäre schon schlimm genug gewesen —, nein, es waren mehrere. Eine Gruppe.
    Vielleicht vier, fünf oder ein ganzes Dutzend. Der Gedanke daran bereitete mir Angst.
    »John, bitte.« Ich drehte mich um. Clarissas Stimme hatte bittend

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