Das Blut der Medusa
hatten die Ausstellung besucht, in deren Mittelpunkt eben die mythische Gestalt der Medusa stand.
Daß ein Nachtwächter versteinert war, hatte man sehr wohl von offizieller Seite unterdrückt. Bill hatte es eigentlich nur seinen guten Beziehungen zu verdanken, daß er überhaupt Bescheid wußte.
Er hatte die Karten schon gelöst. Bereits in der Halle war etwas von der Pracht zu spüren. Hier wehte der Atem der Geschichte der in Wien an fast jeder Ecke zu spüren war. Eine große Flügeltür stand offen. Hier befanden sich auch die beiden Kartenkontrolleure. Bill schaute sich um und entdeckte so unverdächtig aussehende Personen, daß sie schon fast verdächtig wirkten. Aufpasser, Wächter, die sicherlich auch bewaffnet waren.
Als sie den ersten prunkvollen Ausstellungsraum betreten hatten, wurde das eigentlich Motiv der beiden Conollys von dieser gewaltigen Pracht in den Hintergrund gedrängt.
Es waren phantastische Bilder, die sie zu sehen bekamen. Nicht nur Gemälde aus dem sechzehnten Jahrhundert wie der »Triumph des Frühlings« von Antoine Caron, sondern auch Arbeiten aus dem vergangenen Jahrhundert, wie das Gemälde »Perseus mit dem Medusenschild«, ein Werk des Spaniers Miguel Vilä um 1887. Es war mit Ölfarben auf Holz gemalt worden.
Die Conollys blieben davor stehen. Beide waren sie beeindruckt. Aber auch von den anderen Werken, die immer nur mystische Motive zeigten, wie auch die Bronzestatue »Nymphe und Satyr«, geschaffen von einem italienischen Meister und mit einem Hauch von Pornographie gewürzt. Wie hingegossen lag die Nymphe auf einer Chaiselongue und erwartete den ziegenbeinigen Satyr.
»Hast du so etwas schon einmal gesehen?« fragte Bill.
Sheila schüttelte den Kopf. »In dieser Anhäufung, nein. Man weiß nicht, wo man zuerst hinschauen soll.«
»Wir suchen die Medusa!«
Sie sagte nichts, schaute Bill nur scharf an und faßte dann nach seiner Hand.
Das Bild war einfach nicht zu übersehen, obwohl sie es noch nicht entdeckten, da es von zahlreichen Besuehern umlagert wurde. Die Conollys wußten sofort, daß es sich nur um das Medusenbild handeln konnte.
Im Hintergrund blieben sie stehen und lauschten den geflüsterten Kommentaren der Besucher.
Die meisten waren angetan. Nur wenige fürchteten sich. Eine Frau sagte: »Sie hat so etwas Lebendiges in den Augen.«
Ihr Begleiter lachte. »Gib acht, daß du nicht zu Stein wirst, wenn du sie anschaust.«
»Hör auf.« Sheila und Bill konnten über diese Worte nicht lachen. Sie wußten es besser.
Der Reporter ging langsam vor. Seine Sohlen schleiften dabei über den Boden. In der Nähe lag ein wertvoller Teppich, den die beiden umgangen hatten.
Die Lampen waren raffiniert angebracht. Sie strahlten die Bilder an, ohne die Betrachter dabei zu blenden.
Einige Besucher wandten sich ab. Rasch füllte Bill einen Teil der Lücke aus, die sie hinterlassen hatten. Auch Sheila war mitgekommen. Sie stand etwas versetzt neben ihm.
Zum ersten Mal sahen die beiden sich das Gemälde genau an, und Bill hielt unwillkürlich den Atem an, wobei sich gleichzeitig ein Schauer auf seinem Körper bildete.
Sheila erging es ähnlich. Er vernahm auch ihr leises Räuspern und den scharfen Atem. »Was ist?«
»Ich weiß nicht, Bill, aber spürst du es nicht auch?«
»Ja, aber ich kann es nicht erklären.«
»Lebt es?«
»Ich weiß nicht.«
Beide hatten das Gefühl, allein vor dem Gemälde zu stehen und nur das Gesicht zu sehen. Die Augen besaßen eine magische Anziehungskraft. Sie wirkten wie tiefe Seen, die Menschen förmlich hineinzogen. Opfer dieser Magie ertranken.
War die Medusa eine Frau, ein Engel, oder eine Göttin? Wahrscheinlich alles in einer Person. Der Künstler hatte es zudem geschafft, diese Eigenschaften genau hervorzuholen. Möglicherweise lag es auch am Lichtstrahl, der diesem Bild so etwas wie ein lebendiges Flair gab. Die Augen lebten, sie schauten fordernd, weich und auch gefährlich, je nachdem, aus welchem Winkel man sie betrachtete. Eine blasse Hautfarbe vom Grund her, und dennoch nicht kalt. Diese Haut lebte, sie schien vom Blut durchpulst zu werden, das allerdings den Mund ausließ. Er zeigte einen verführerischen Schwung, ebenso wie die Brauen über den Augen.
Der Kopf war schrecklich!
Widerliche dicke Schlangen ringelten sich aus der Schädeldecke und ersetzten die Haare. Der Maler hatte bei ihnen mit den Farben Grau und Grün gespielt. Da war jede Schuppe genau eingezeichnet worden. Diese Pinsel-und Maltechnik beherrschte
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