Das Blut der Medusa
besonders an gewissen Dingen, die die Natur bietet.
Das konnte auch ein allmählich erwachender Ort sein, dessen Ruhe durch das Geräusch eines Lastwagenmotors unterbrochen wurde. Der Wagen fuhr vom Kai ab. Auf seiner Ladefläche stapelten sich die Kisten, die mit frischem Fisch gefüllt waren.
Der Kai war gepflastert. Fischer kamen mir entgegen. Sie hatten den Fang auf Karren geladen, um ihn zum frühmorgendlichen Markt am Ortsende zu bringen. Zwischen den glänzenden Fischkörpern schimmerten die dicken Eisstücke.
Die Geschäfte hatten natürlich geschlossen. Bei den meisten Restaurants verhielt es sich ebenso. Das kleine Café, in dem ich mich mit Clarissa Main verabredet hatte, wurde soeben geöffnet. Ein schnauzbärtiger gähnender Wirt hatte die Tür schon geöffnet, das frisch gebackene Brot vom Bäcker geholt und war dabei, die Fenster aufzuschieben.
Ich blieb stehen. Ein Schwall verbrauchter, nach Alkohol und Zigarettenqualm stinkender Luft drang mir entgegen. Es störte die Frische dieses herrlichen Morgens.
Der Wirt grinste mir zu. »Wollen Sie was essen?« Er fragte es in einem holprigen Deutsch.
Ich antwortete auch in dieser Sprache. »Ja, ich bin hier verabredet.«
»Der Kaffee läuft schon.« Dann wischte er sich den Schlaf aus den Augen und schüttelte den Kopf. »Ihr Deutschen — immer früh auf den Beinen, auch im Urlaub.«
Ich ließ ihn in dem Glauben, Deutscher zu sein, und hob die Schultern.
»Was will man machen? Sie können auch nicht aus ihrer Haut hervorkriechen.«
»Stimmt. Aber ich habe einen Bruder, der in der Nacht den Laden offenhält. Wollen Sie drin etwas essen?«
Ich dachte an die Luft und schüttelte den Kopf. »Nein, lassen Sie mal.«
In der Nähe standen die Tische und Stühle. Beides holte ich mir selbst. Der Tisch war rund. Zwei Stühle baute ich auf. »Es kommt noch jemand«, erklärte ich.
»Ja, ist gut.«
Nicht ohne Grund hatte der Mann seinen Laden so früh offen. Es gab tatsächlich Touristen, die in der Frühe erschienen, um die Schönheit des Morgens beim Frühstück zu genießen.
Der Wirt baute die anderen Sitzgelegenheiten auf und rief immer wieder etwas in sein Lokal, wo ihm eine keifende Frauenstimme antwortete.
»Ich muß meine Tochter immer anspornen. Sie arbeitet am Morgen nicht gern.«
»Wer tut das schon?«
Der Wirt wischte mit einem Tuch über Tische und Stühle. »Da haben Sie recht. Es ist auch ihr Geld.«
»Stimmt.«
»Einmal Frühstück?«
»Ja.«
»Ich habe mich auf die Deutschen eingestellt. Sie können auch ein Ei bekommen.«
»Das nehme ich gern. Wie sieht es mit Saft aus?«
»Machen wir alles.«
»Bringen Sie bitte noch ein zweites Gedeck mit. Ich erwarte einen Gast.«
Der Wirt nickte und verschwand. Ich streckte die Beine aus. Mein Blick glitt dabei in Richtung Hafen, wo die Schiffe der kleinen Flotte lagen. Dort wurden noch immer Fische abgeladen, aber die Ruhe verschwand allmählich.
Zwei Minuten später saßen bereits sieben Gäste vor dem Restaurant. Fast alle stammten sie aus Germany.
Zuerst kam der Kaffee. Er schwappte in einer großen Kanne. Milch und Zucker brachte der Wirt auch mit. »So, er ist ganz frisch, er wird Ihnen schmecken.«
»Danke.«
Auch die anderen Gäste bestellten Frühstück. Da ich zuerst gekommen war, bekam ich auch die beiden Gedecke gebracht. Die schleppte die Wirtstochter nach draußen, ein pummliges Mädchen im schwarzen langen Kleid mit rundem Ausschnitt. Ich sah Clarissa Main. Sie kam unten vom Hafen her. Über ihrer Schulter hing ein Gegenstand, der wie ein großer Beutel aussah, aber wohl mehr einer Tasche ähnelte.
Ich winkte ihr zu. Sie lief schneller. Die Jeans trug sie noch immer. Ein schwarzes T-Shirt mit einer roten Sonne flatterte um ihren Oberkörper.
»Schon da?« fragte sie, als sie sich neben mich auf den zweiten Stuhl fallen ließ.
»Wie du siehst. Außerdem habe ich schon für dich ein Frühstück mitbestellt.«
»Das ist lieb. Ich habe einen wahnsinnigen Kaffeedurst.« Sie schenkte sich schon ein und trank die Brühe schwarz.
Der Wirt brachte Eier und Brötchen und Croissants. Er hatte sich wirklich auf die Deutschen eingestellt. Konfitüre war auch vorhanden und etwas Ziegenkäse.
Wir ließen es uns schmecken. Manchmal wehte ein kühler Morgenwind über den Kai und streichelte auch unsere Gesichter. Hier roch es nach Urlaub, nach Entspannung, nur eben nicht nach Arbeit. Die deutschen Gäste Schossen Fotos en masse, die schwärmten von Griechenland, von der Sonne,
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