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Das Blut der Medusa

Das Blut der Medusa

Titel: Das Blut der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Wassers durchzogen wurde.
    Blühende Sträucher bildeten Wände. Sie rahmten die schmalen Pfade ein, die angelegt worden waren.
    Wir kamen uns vor wie in einer Glocke. Palmen und Agaven boten durch ihre Blätter Schutz vor den sengenden Strahlen der Sonne. Heckenrosen schimmerten, ein kleiner Teich versperrte uns den Weg. Sein Wasser zeigte einen grünlichen Farbton. Algen und Seerosen schwammen auf der Oberfläche. Dazwischen schimmerten silbrige Fischleiber. Über den Teich führte ein Steg. Dahinter konnten wir ein Haus erkennen, aber noch immer keine Menschen.
    Vor den hellen Hausmauern wuchsen dünkelgrüne Büsche. Auch dort schimmerten zwischen den Zweigen farbige Blüten.
    Clarissa schüttelte den Kopf. »Ein kleines Paradies«, hauchte sie. »Ich kann es noch immer nicht begreifen.«
    Die Brücke sah stabil aus. Ich setzte meinen rechten Fuß auf den Stein. Er gab nicht unter dem Druck nach. »Sie ist sicher«, sagte ich zu Clarissa gewandt.
    Wir überquerten den Teich. Anschließend kamen wir uns vor wie in einem dichten Wald. Wenn wir gingen, berührten uns die Zweige wie tastende Hände.
    Vor uns nahm der Weg an Breite zu. Er führte direkt dem großen Gebäude entgegen.
    So weit kamen wir nicht. Da ich vorging, entdeckte ich die Statue zuerst. Sie stand an der linken Seite in einer natürlichen Nische verborgen, gedeckt von grünen Zweigen, und ich hatte das Gefühl, vor eine Wand gelaufen zu sein.
    Auch Clarissa kam herbei.
    Sie schaute auf die Statue. Ich sah, wie sie kalkweiß wurde, anfing zu zittern, dann wankte.
    Hätte ich nicht zugegriffen, wäre sie gefallen. Ohnmächtig wurde sie nicht. Während sie in meinen Armen hing, hörte ich ihre flüsternde Stimme.
    »Das ist er! Das ist George, mein Bruder…«
    ***
    Plötzlich kam mir der Blütengeruch vor wie Modergestank. Der Gesang der Vögel erinnerte mich an das Krächzen von Geiern, die sich auf ihre Beute stürzten. Die Sonne schien nicht mehr warm, sondern kalt. Der Wind brachte den Geruch von allmählich verwesenden Leichen mit. Das alles bildete ich mir sicherlich ein, die Umgebung war nach wie vor die gleiche geblieben, doch Clarissas Worte hatten mich wie aus einem Traum gerissen. Ich schaute die Statue an.
    Ein Mensch, der einmal gelebt hatte, war zu Stein erstarrt. Dabei hatte er sich kaum verändert. Seine Gesichtszüge waren genau zu erkennen, sogar die Augen besaßen noch einen gewissen Ausdruck. Ertrug eine kurze Hose und ein T-Shirt. Alles war so verdammt normal. Er sah aus, als würde er jeden Moment erwachen, das aber war ein Irrtum. Für ihn gab es keinen Weg mehr zurück.
    Es mußte ihn mitten im Lauf erwischt haben. Das rechte Bein war vorgeschoben, als wollte er zum Sprung ansetzen. Das linke hatte er etwas zurückgedrückt und die Arme nach hinten gebogen. Ich sah die gespreizten Hände, als wollte er sich irgendwo im letzten Augenblick festhalten, aber das war nicht mehr möglich gewesen. George Main mußte die Medusa gesehen haben.
    In meinen Armen lag Clarissa noch immer. Sie weinte leise und richtete sich wieder hoch. Hinschauen konnte sie nicht, deshalb preßte sie ihr Gesicht gegen meine Schulter.
    »Ich habe es gewußt!« schluchzte sie. »Ich habe es gewußt. George lebt nicht mehr. Diese verfluchten Medusen - er ist ihnen in die Falle gelaufen.« Sie krallte sich an mir fest. »John, bitte, gib mir einen Rat. Was sollen wir tun?«
    »Ich werde etwas tun, Clarissa. Geh bitte zurück. Verstecke dich und warte auf mich.«
    »Nein, nein!« Sie schrie die Worte so laut, daß ich mich gezwungen sah, ihr eine Hand auf den Mund zu pressen. Das half nicht für ewig. »Ich werde ihn rächen, John«, sagte sie. »Ich will, daß diese Medusa oder wer immer sie auch ist, zur Rechenschaft gezogen wird. Sie muß ebenfalls vernichtet werden. Dieses verfluchte Schlangenweib darf nicht länger leben. Verstehst du?«
    »Ja, ich kann dich verstehen.«
    Sie wischte ihre Augen klar und ging einen zögernden Schritt nach vorn. Dabei streckte sie die Hand aus. Mit einer sanften, sehr zärtlichen Bewegung strich sie über das Gesicht der Steinfigur. »George!« hauchte sie, »mein George…« Dann warf sie sich nach vorn und umarmte die Figur.
    Ich stand dabei und preßte die Lippen hart zusammen. Sie bildeten nur mehr einen Strich. Trotz der Hitze war mir kalt geworden. Dieser Anblick inmitten des paradieshaften Gartens hatte mich härter getroffen, als der eines Vampirs oder Werwolfs. Dieses Grauen war greifbar, weil eben Clarissa

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