Das Blut der Medusa
kann.«
»Wir werden sehen.«
»Ob es hier überhaupt Wasser gibt?« fragte Clarissa und schaute einer Schar von Vögeln nach, die hoch über dem Eiland ihre Kreise zogen und bestimmt mehr sahen als wir.
»Daran glaube ich fest. Ich rechne auch damit, daß wir ein Höhlensystem finden werden. Alles ist möglich.«
»Okay, John, gehen wir?«
»Sicher, wenn du dich gut fühlst?«
»Für einen kleinen Marsch reicht es.« Ein kleiner Marsch würde es bestimmt nicht werden, aber das behielt ich für mich. Da in dieser Bucht Boote lagen, mußten wir auch Spuren von Menschen finden können. Nach ihnen aber hielt ich vergeblich Ausschau. Der Boden war einfach zu felsig.
Einen Pfad fanden wir nicht. Ich wollte Clarissa die Tasche abnehmen, sie weigerte sich.
Zunächst kamen wir gut voran. Unser Schuhwerk war fest, auch Clarissa trug gute Turnschuhe, die sogar ihre Knöchel stützten. Schwitzen war angesagt. Die Sonne wanderte immer weiter am blauen Himmel. Das Gestein heizte sich auf. Ich spürte es, wenn ich mich mit der flachen Hand abstützte.
Der Boden war grau und braun. Die Farben wechselten sich ab. Leider entdeckten wirkeinen grünen Fleck, die Sonne hatte die Landschaft völlig verbrannt.
Vor uns wuchsen Hänge hoch. Umgehen konnten wir sie nicht. Also mußten wir über die geröllbedeckten langen Bahnen klettern. Es wurde ein beschwerlicher Anstieg. Ich hatte mir Clarissas Tasche genommen. Beide waren wir gespannt, was uns am Ende des Hanges wohl erwarten würde.
Zunächst ein gewaltiger Felsen, der in einer dunkelgrauen Farbe schimmerte. Wie ein Wall baute er sich vor uns auf. Darüber würden wir wohl nicht klettern können.
Clarissa hielt sich tapfer. Ich hörte ihren keuchenden Atem stets hinter mir. Der Gedanke an ihren verschollenen Bruder schien ihr die nötige Kraft zu geben.
So ein Hang konnte sich hinziehen. Manchmal lösten sich kleine Steine und kullerten in Richtung Strand. Einmal drehte ich mich um. Unter uns lag die kleine Bucht mit den Booten. Draußen auf dem Meer fuhren Schiffe. Sie schafften Touristen von einer Insel zur anderen. Ich errreichte zuerst das Ende des Hangs, wo es noch einmal steil wurde. Deshalb streckte ich den Arm aus, umklammerte Clarissas Hand und zog das Mädchen höher.
Schwer atmend blieb sie neben mir stehen. Wir schauten nach vorn, sahen jetzt die hohen Felsen zum Greifen nahe, aber davor breitete sich eine Mulde aus, die die Form eines Schüsseltals aufwies und auf den Betrachter wie ein kleines Paradies oder eine Oase inmitten der Steine wirkte.
Clarissa wischte über ihre Augen und schüttelte den Kopf. »Das… das kann doch nicht wahr sein. Träume ich?«
»Nein, du träumst nicht. Das ist tatsächlich ein Garten.«
Und was es für einer war. Prächtig, subtropisch. Eine herrliche Blütenpracht, deren Duft der Wind zu uns hochtrug. Sie sahen auch klares Wasser, das aus einer Öffnung im Felsen floß und zur Bewässerung dieses Landstrichs diente. »Der Garten Eden«, flüsterte Clarissa. »Hier muß er gestanden haben, John.«
»Wir werden sehen.«
Ich ging noch nicht, weil ich den Garten absuchte, um Menschen zu entdecken. Die sah ich nicht. Dafür die zahlreichen Bäume, Blumen und blühende Sträucher, aber hinter ihnen oder zwischen ihnen versteckt auch das Mauerwerk mehrere Steinhäuser.
Die Wohnungen der Medusen?
»Keiner zu sehen!« flüsterte Clarissa. »Ob überhaupt jemand dort unten ist?«
»Bestimmt. Genügend Boote lagen ja in der Bucht.« Ich nickte ihr zu.
»Komm, wir werden uns dieses kleine Paradies mal näher anschauen. Hoffentlich hat es nicht zu viele Fehler.«
Clarissa lachte plötzlich, und ich fragte nach dem Grund. »Weißt du, John, wenn ich mir vorstelle, daß mein Bruder diesen Flecken Erde entdeckt hat, dann kann ich ihn verstehen, wenn er hier nicht mehr weg will.«
»Möglich.«
»Da nimmt er sogar die Medusen in Kauf.«
Der Weg ins Tal oder ins Paradies war besser. Er führte in Serpentinen nach unten. Auf dem ersten Drittel begleiteten uns noch die rauhen Steine, der trockene Staub und die Hitze. Das legte sich sehr bald, denn auch die Hitze schwand etwas, weil aus der Mulde der Wind den Geruch von frischem Wasser hochwehte.
Wir sahen jetzt sogar kleine Brunnen, aus denen Wasserfontänen schössen. Durch die fiel das Sonnenlicht. Es wurde gebrochen und in seine bunten Spektralfarben zerlegt.
Blütenduft hüllte uns ein. Jasminsträucher begrüßten uns mit ihrem herrlichen Duft, der auch von der Frische des
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