Das Blut der Unsterblichen
Aufforderung genug, denn schon strich er sich über die gegelten Haare und steuerte zielstrebig auf sie zu.
Hilfe suchend blickte sie sich nach Pia um und verfluchte sie innerlich für ihr Verschwinden. Traummann hin oder her, sobald sie wieder zu Hause wären, würde sie ein ernstes Wort mit ihrer Freundin reden müssen. Eine Gestalt schob sich in ihr Blickfeld und beugte sich zu ihr hinab.
„Darf ich dich um diesen Tanz bitten?“
Sie erschrak und hob ruckartig den Kopf. Da war er wieder, ihr attraktiver Fremder. Ihr Herz machte einen Sprung und sie war auf einmal nervös.
„Ja, gerne“, sagte sie, obwohl ein langsames Lied gespielt wurde.
Normalerweise mochte sie es nicht, einem Unbekannten so nahe zu kommen, doch der Muskelprotz hatte sie unvorsichtig werden lassen. Sie nutzte den kurzen Weg zur Tanzfläche, um ihn ein wenig näher in Augenschein zu nehmen. Er war von durchschnittlicher Größe, trug Jeans, schwarze Lederschuhe und ein anthrazitfarbenes Hemd. Unter seinem karamellfarbenen Teint sah er irgendwie blass aus, als hätte er eine schwere Krankheit überstanden und wäre noch immer ein wenig angeschlagen.
Er hielt inne, umfasste ihre Taille und zog sie zu sich heran. Zögerlich legte sie die Arme um seinen Hals, versuchte, so weit wie möglich Abstand zu halten. Er grinste über ihre Unbeholfenheit. Im Gegensatz zu ihr wirkte er völlig entspannt.
„Wie heißt du?“, fragte er.
„Kristina, und du?“
„Mein Name ist Marcus.“
Sie bemerkte nun deutlich den leichten Akzent, mit dem er sprach. Eine Mischung aus Englisch und etwas, was sie nicht zu bestimmen vermochte. Spanisch vielleicht. „Woher kommst du?“, fragte sie.
„Ich komme aus den Vereinigten Staaten von Amerika“, antwortete er. „Doch meine Mutter war Kubanerin“, fügte er auf ihren überraschten Blick hinzu.
„Was für eine exotische Mischung“, erwiderte sie. „Und was machst du hier? Was verschlägt dich in diesen Teil der Welt?“
„Ich bin geschäftlich hier. Ich arbeite im IT-Bereich für einen großen Energietechnik Konzern.“
Kristina hatte keine Ahnung, was genau die Arbeit im IT-Bereich bedeutete und suchte nach einer unverfänglichen Antwort. „Das klingt interessant.“
Er lachte. „Ich danke dir für die höflichen Worte. Der IT-Bereich steckt noch in den Kinderschuhen und ist nicht für jeden ein Begriff. Mit was verbringst du deine Zeit?“
Während er das sagte, schob er seine Hand tiefer und zog sie noch ein wenig näher. Kristina erschauerte. Ihre Haut prickelte, als würden Ameisen über ihren Körper wandern.
„Ich ... äh … ich bin Logopädin“, stotterte sie.
Nervös schaute sie zur Seite. War es hier so heiß oder kam ihr das nur so vor?
„Macht dich meine Nähe nervös? Das liegt nicht in meiner Absicht“, sagte er. „Du bist ungemein attraktiv, Kristina, eigentlich bin ich derjenige, der nervös sein sollte.“
Kristina warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Glaubte er etwa, er könnte sie mit Komplimenten gefügig machen?
Er ignorierte ihren Blick und zog sie stattdessen noch näher zu sich heran. Mittlerweile tanzten sie so eng, als wären sie an der Hüfte zusammengewachsen. Kristinas Gedanken überschlugen sich. Sollte sie diese Nähe zulassen? Ganz offensichtlich versuchte er, sie zu verführen. Wäre es nicht besser, ihn in seine Schranken zu verweisen?
Marcus betrachtete sie unverhohlen, während sie seinen Blick mied und stattdessen an die Wand in seinem Rücken starrte.
„Sieh mich an“, flüsterte er. Sein kühler Atem kitzelte an ihrem Ohr. Die Stimme vibrierte durch ihren Körper, jagte Schauer über ihren Rücken. Was geschah nur mit ihr? „Warum?“
„Ich will sehen, ob du es auch fühlst.“
Eigenartigerweise wusste sie genau, was er meinte, was noch verstörender war als die Tatsache, dass sie diese Vertraulichkeit überhaupt zuließ. Sie hob den Kopf und sah ihn an. Dunkel waren seine Augen, fast schwarz, mit einer rötlich schimmernden Pupille. Wie ein Tunnel in dessen Tiefen ein fernes Feuer glimmte. Er starrte sie so eindringlich an, dass sie sich regelrecht entblößt vorkam, als könne er direkt in ihre Seele blicken und nicht nur ihr wahres Ich, sondern auch ihre geheimsten Wünsche und Sehnsüchte erkennen. Plötzlich drang die Musik nur noch wie aus weiter Ferne an ihr Ohr. Die Zeit verlangsamte sich, verwandelte sich in ein verzögertes Abbild der Wirklichkeit. Mit jeder Faser spürte sie seine Nähe, so fremd und gleichzeitig so
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