Das Blut Des Daemons
sie zu hassen. Dann wurde mir klar, was das bedeutete: Sie würden Julien aus seinem Gefängnis holen! Ich würde ihn sehen können, vielleicht sogar mit ihm reden können – und wenn es nur ein paar wenige Worte waren –, bevor sie ihn den Fürsten vorführten. So rasch ich es wagte, stand ich auf. Kein Schwindelanfall. Olek war schneller auf den Beinen als ich und hielt mich am Arm fest.
»Das ist sinnlos. Es gibt im unteren Geschoss einen Gang, der von den Zellen zu einer Treppe führt, die in dem Korridor endet, an dem auch der Ratssaal liegt.« Er schien meine Gedanken erraten zu haben.
Das Zittern in meinem Inneren verstärkte sich. Olek ließ mich los und ich schlang die Arme um mich selbst. »Ich will zum Ratssaal! Du kennst den Weg, oder? Bring mich hin!«
»Ich kann dich hinbringen, aber sie werden nicht erlauben, dass du den Saal betrittst. Du bist kein Fürst.« Er schüttelte den Kopf.
»Ich werde Julien bestimmt nicht alleinlassen!«, zischte ich. »Notfalls finde ich den Weg auch ohne deine Hilfe.« Hatte ich mich am Ende doch in ihm getäuscht? Er verhinderte, dass ich mich an ihm vorbeidrückte, musterte mich sekundenlang. Mit geballten Fäusten gab ich seinen Blick zurück. Nach einem letzten Zögern und einem weiteren Kopfschütteln ergriff er mich am Ellbogen und marschierte los.
Als er schließlich in eine kleine, halbrunde Halle einbog, hatte ich das Gefühl, dass über uns endgültig nur noch Felsen war. Ein gutes Dutzend mannshoher Kandelaber, die aussahen, als seien sie aus purem Gold, erhellte den Raum. Waren Boden und Wände bisher aus gewöhnlichem, hellem Stein und einfach weiß getüncht gewesen, spiegelten sich die Kerzenflammen hier auf schimmerndem, blassem Marmor, der von feinen roten Adern durchzogen war. Olek wirkte mit jedem Schritt angespannter, während er auf das fast deckenhohe zweiflügelige Portal zuging, das die eine Längsseite der Halle beinah vollständig einnahm und das von jeweils zwei schwarz gekleideten Vourdranj zu beiden Seiten flankiert wurde. Der Bogen der gegenüberliegenden Hallenwand war von Nischen durchbrochen, in denen sich antike Statuen mit marmornen Bänken abwechselten. Oleks Hand hielt meinenEllbogen noch immer fest umschlossen. Abgesehen von den vier Vourdranj war die Halle leer. Doch aus dem Raum hinter den weit offen stehenden Portalhälften drangen Stimmen.
Die Vourdranj ließen uns bis auf wenige Schritt herankommen, dann erst erwachten sie aus ihrer Reglosigkeit. Zwei von ihnen vertraten uns den Weg. Für Olek hatten sie ein Nicken, mich musterten sie kalt und zugleich … wachsam.
»Ihr kennt das Gesetz, Nareszky. Ihr seid weder ein Fürst noch gehört Ihr zum Tribunal. Ebenso wenig seid Ihr als Zeuge hierherbefohlen. – Und selbst wenn, dürften wir Euch nur hineinlassen, nachdem die Fürsten Euch rufen. – Geht wieder, bevor wir gezwungen sind, Euch zu melden.« Es war der zu unserer Rechten, der sprach. Sein Haar war schwarz, seine Züge wirkten südländisch. Ein Stück seines Ohrläppchens fehlte.
Ehe Olek irgendetwas sagen konnte, machte ich mich von ihm los und trat einen Schritt weiter auf die Vourdranj zu. Der zu meiner Linken warf seinem Kameraden einen hastigen Blick zu. Die beiden anderen schienen sich ein wenig mehr zu spannen.
»Ihr wisst, wer ich bin?«, zischte ich ihn an. Seine Augen wanderten einmal über mich, kehrten zu meinem Gesicht zurück.
»Ja, Princessa.« Auch wenn er nicht mit derselben Verachtung sprach, die in Pádraigs Stimme gewesen war, war sein Ton trotzdem ein gutes Stück von respektvoll entfernt. Ich ballte die Fäuste und trat noch näher an ihn heran. Er rührte sich nicht. Hatte ich tatsächlich geglaubt, einen Vourdranj einschüchtern zu können? Was war ich doch für ein Schaf. Aber ich würde den Saal hinter ihm betreten. Koste es, was es wolle!
»Gut! Dann werdet Ihr mich jetzt vorbeilassen!« Ohne ihm auch nur die Chance einer Antwort zu lassen, marschierteich an ihm vorbei. Oder versuchte es. Er packte mich am Arm. Die beiden anderen, die die ganze Zeit rechts und links des Portals gestanden hatten, waren plötzlich vor mir.
»Hände weg!«, verlangte ich heftig und riss an seinem Griff. Es war mir egal, ob mich jemand im Saal hörte. Natürlich kam ich nicht frei. Hinter mir stieß Olek ein Knurren aus. »Loslassen hab ich gesagt!« Abermals zerrte ich an der Hand, die mich hielt. »Nehmt die …«
»Was geht hier vor?«, erklang es scharf hinter den Vourdranj.
Ich verstummte
Weitere Kostenlose Bücher