Das Blut Des Daemons
hinunter und sah Vlad herausfordernd an. Einen sehr langen Moment gab er meinen Blick zornig zurück, doch dann nickte er Radu hinter mir zu. »Sie hat schon genug Aufsehen erregt. – Kümmere du dich hierum«, er wies mit dem Kopf auf mich, »ich rede mit Dathan.«Damit ließ er uns stehen, schob sich mit schnellen Schritten an Gérard und seinen Begleitern vorbei – die alle drei eine höfliche Verbeugung gegen ihn andeuteten, als er auf gleicher Höhe mit ihnen war – und verschwand im Saal. Wie zuvor ergriff Radu mich am Arm, zog mich zu einer der Nischen – der, die am weitesten vom Eingang in den Ratssaal entfernt war – und drückte mich auf die Bank. Nur aus dem Augenwinkel erhaschte ich einen Blick auf Olek, der sich mit einer der Vourdranj-Wachen unterhielt. Kurz lächelte er zu mir herüber, dann stand Radu vor mir und nahm mir die Sicht. Und versperrte gleichzeitig den anderen den Blick auf das, was wir taten. Mit einer schnellen Bewegung hatte er sich das Handgelenk aufgebissen und hielt es mir hin.
»Trink!«, verlangte er unwillig. Der Geruch seines Blutes traf mich wie ein Schlag. Selbst wenn ich gewollt hätte: Ich hätte nicht anders gekonnt. Ich schaffte es ja kaum, mir meine Gier nicht anmerken zu lassen, während ich gehorsam meinen Mund auf die Wunde legte. Für eine Sekunde schien mein Oberkiefer zu explodieren – und dann verebbte der Schmerz allmählich; mit jedem Schluck ein wenig mehr, während sein Blut meine Kehle hinabrann und die Bestie in meinem Inneren sich wieder einmal ein kleines Stück weit zusammenrollte.
Beinah viel zu schnell entzog er mir seinen Arm wieder. Ein leises protestierendes Maunzen entwich mir. Wollte er mich damit für meinen Ungehorsam bestrafen? Mich gefügig halten, indem er meinen Hunger kontrollierte? Er war mein Großvater! Erst als er sich regelrecht gleichgültig die beiden kleinen Wunden leckte und sich halb umdrehte, entdeckte ich Vlad hinter ihm. Hatte ich doch mehr getrunken, als ich gedacht hatte? Die Gier und der Hunger waren noch immer weit davon entfernt, wirklich befriedigt zu sein. Von Gérard und den beiden anderen Fürsten war nichts mehr zu sehen.
»Dathan hat sein Einverständnis gegeben.« Vlads Miene sagte nur zu deutlich, dass er mich im Moment sehr viel lieber irgendwo bei lebendigem Leibe eingemauert hätte. Radu wirkte ähnlich begeistert, nickte aber, trat einen Schritt weiter zurück und streckte mir gleichzeitig die Hand hin.
»Danke!« Ich stand auf – und musste seine Hand fester fassen, als ich vorgehabt hatte, da der Boden unter mir eine Sekunde wankte. Verfluchte Sonne. Wie lange mochte es dauern, bis ich sie endlich ebenso ertragen konnte wie Julien? Meine Kehle zog sich zusammen. Nein, nicht wie Julien – nicht mehr. Und ich war schuld. Verzeih mir, Julien.
Vlad brummte zur Antwort. Ob er meinen kurzen Schwindelanfall bemerkt hatte, konnte ich nicht sagen. Mein Großvater hatte eine Braue gehoben. Ihm konnte er unmöglich entgangen sein.
Meine Hand auf seiner, so wie ein Herr seine Dame im letzten oder vorletzten Jahrhundert vielleicht in einen Saal – oder auf eine Tanzfläche – geführt haben mochte, steuerte er mit mir auf das Portal zu. Diesmal schenkten die Wachen uns keinerlei Beachtung. Olek stand noch immer bei dem Vourdranj. Er nickte mir zu, als ich an ihnen vorbeiging. Ich riskierte ein schwaches Lächeln und hoffte, er sah meine Dankbarkeit darin.
Der Saal, der sich hinter den Türen öffnete, erinnerte mich an eine riesige Kathedrale. Wände und Boden waren aus demselben Marmor wie in der Halle draußen. Antik wirkende Säulen mit kunstvollen Verzierungen an ihren oberen Enden reihten sich in einigen Metern Abstand zueinander an den Wänden entlang, ohne dass ich hätte sagen können, ob sie nur zur Zierde dienten oder tatsächlich die Decke über unseren Köpfen stützen sollten. Dazwischen standen ähnlich hohe Kandelaber wie draußen, nur dass diese hier ungleich kostbarer wirkten. Unter unseren Füßen durchbrachenverschlungene Ornamente aus Gold den beinah spiegelnden Glanz des Bodens.
Vor dieser Pracht wirkte das zum Portal hin offene Halbrund aus schwarzem Holz geradezu einfach – und zugleich seltsam düster und … bedrohlich. Ein massiver eiserner Ring war davor in den Boden eingelassen. Eine schwere Kette war daran festgemacht.
Radu führte mich nach rechts, hinter den Rücken der dunklen, hochlehnigen Stühle vorbei, die den Tisch hier an der Außenseite umstanden. In der Luft lag
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