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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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ein herber Duft, der mich verrückterweise an Beths Räucherstäbchen erinnerte. Ein Teil der Fürsten hatte bereits Platz genommen, andere standen noch zu zweit oder dritt zusammen und diskutierten halblaut miteinander. Ich konnte den Blick jedes Einzelnen auf mir spüren. Radu räusperte sich vernehmlich. Die beiden Fürsten direkt vor uns, die bis eben in ein Gespräch vertieft gewesen waren, unterbrachen es und wandten sich uns zu. Erst jetzt erkannte ich, dass es sich bei einem um eine Frau handelte. Sie war schlank und nur ein paar Zentimeter größer als ich. Silberblondes, kurz geschnittenes Haar umrahmte engelsgleiche Züge, die selbst Radus Schönheit in den Schatten stellten. – Züge, die mir seltsam vertraut vorkamen, obwohl ich sicher war, dass ich ihr noch nie begegnet war. Und dann wusste ich es wieder: das Foto, das ich damals in Adriens Kiste im Keller des Hale-Anwesens gefunden hatte! Für A. Ich liebe dich. L. hatte quer über einer der Ecken gestanden … Ich schrak zusammen, als Vlad einen weiteren der hochlehnigen Stühle direkt neben mir am Tisch platzierte – so dicht bei dem zweiten auf dieser Seite, dass sich die Armlehnen beinah berührten. Für einen Sekundenbruchteil begegnete ich ihren Augen, wunderschön: grün mit goldenen Flecken, die mich an Blätter erinnerten, zwischen denen man die Sonne blitzen sah – und die malheller, mal dunkler wurden, je nachdem, wie der Wind sie an den Ästen der Bäume bewegte. Sie nickte mir höflich zu, berührte den Fürsten, mit dem sie sich bis eben unterhalten hatte, am Arm und verabschiedete sich mit einem »Ich danke für Eure Auskunft, Doamne« von ihm. Ihre Stimme war ebenso atemberaubend wie ihr Aussehen. Ein weiteres Nicken zu Radu und Vlad hin, dann ging sie davon.
    »Wer … wer war das?« Ich wollte mich zu meinem Großvater umdrehen, doch mein Blick blieb an dem anderen Fürsten hängen. Die Art, wie seine Augen starr ins Nichts gerichtet waren, schien seltsam. So als ... Mit einem scharfen Laut sog ich den Atem ein. Er war tatsächlich blind!
    »Die Fürstin Lasja. – Ich muss sagen, sie hat Stockholm nach nur vier Jahren erstaunlich gut im Griff.« Der fremde Fürst neigte den Kopf ein klein wenig. Sein Haar war tiefschwarz und ähnlich wie Radus im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Seine Züge erinnerten mich an Vlad … Mir wurde im selben Moment klar, wen ich vor mir hatte, als er es aussprach. »Ich bin Mircea.« Mein zweiter Großonkel! Er musste spüren, dass ich ihn anstarrte. Seine Lippen verzogen sich spöttisch. »Offenbar haben dir weder Vlad noch Radu von meiner … Behinderung erzählt?«
    Ich schüttelte den Kopf. Erst dann fiel mir ein, dass er es nicht sehen konnte. »Nein. – Was …« Radus Zischen brachte mich zum Verstummen. Mircea ließ ein tadelndes Schnalzen hören.
    »Wenn ihr dem Mädchen nichts hiervon«, er wies auf sein Gesicht, »sagt, ist es nicht verwunderlich, dass sie Fragen stellt. – Ich wurde 1447 von Bojaren mit rot glühenden Schüreisen geblendet und anschließend lebendig begraben.« Sein spöttischer Ton verwandelte sich zu etwas anderem, Bösem. »Aber wie du inzwischen – hoffentlich – weißt, ist unsere Art nur schwer zu töten. – Ich höre, du bist ebensostarrsinnig wie dein Vater Alexej?« Die Gefahr, die eben noch in seiner Stimme gewesen war, war wieder vollständig daraus verschwunden. Er gab mir nicht die Chance zu antworten, sondern hob die Hand und streckte sie nach mir aus. Nur ein paar Zentimeter vor meinem Gesicht verharrte sie. »Du erlaubst? Vlad und Radu haben dich mir zwar beschrieben, aber ich würde dich gerne selbst sehen.«
    »Ja … ja natürlich …« Ich brachte nicht mehr als ein Stottern zustande. Geblendet? Lebendig begraben? O mein Gott.
    Seine Fingerspitzen fuhren federleicht über mein Gesicht, folgten meinen Brauen, den Wangenknochen, dem Nasenrücken, den Lippen, glitten über meine Stirn und die Schläfen, strichen über mein Kinn und den Kiefer, tauchten schließlich in mein Haar. Der Geruch seines Blutes machte es mir schwer, stillzuhalten. Würde der Hunger irgendwann einmal ganz vergehen? Hoffentlich! Bald! Ich sehnte mich danach.
    »Ich danke dir.«
    Ich versuchte mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen, als Mircea schließlich zurücktrat. Vlad und Radu hätten sie garantiert falsch gedeutet.
    »Bitte.« Meine Stimme klang dünn.
    »Sie haben recht. Du siehst Alexej tatsächlich ähnlich.« Abermals neigte er den Kopf.

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