Das Blut Des Daemons
nicht zu bemerken – oder gab es wenigstens vor. Zumindest sprach er ungerührt weiter. »Seitdem bin ich noch viel mehr der Meinung, dass es alles andere als eine gute Idee war, uns beide hier zusammenbringen zu wollen.« Das Lächeln, das er mir zuwarf, hatte etwas Reumütiges. »Dummerweise war mein Großvater der Meinung, eine Verbindung unserer Blutlinien würde der unsrigen zum Vorteil gereichen. Deshalb zeigte er sich von dieser Idee äußerst angetan. Und ich fürchte, ihm widersetzt man sich ebenso wenig, wie man es bei den Fürsten Ihrer Familie tut, wenn man bei gesundem Verstand ist. Zumindest nicht ohne einen guten Grund.«
Ich nickte. Ihm hatte man also ebenso wenig eine Wahl gelassen wie mir. »Aber warum haben Sie vor den Vourdranj behauptet, ich hätte mich auf dem Weg zu unserer Verabredung verlaufen ?« Es gelang mir gerade noch, ein Gähnen zu unterdrücken.
»Ich wollte verhindern, dass Sie Ärger bekommen. – Bevor ein Gerichtstribunal zusammentritt, dürfen nur die Mitglieder des Rates zu dem Angeklagten. Versucht jemand anderes, zu ihm vorgelassen zu werden, müssen die Vourdranj, die zu seiner Bewachung abgestellt sind, die Person dem Rat melden.«
Das bedeutete, Vlad und Radu würden von meinem Ausflug erfahren. Verdammt!
»Nur hat Ihr Freund Pádraig Ihnen kein Wort geglaubt. – Und er mag mich offenbar nicht.«
»Aber er kennt mich . – Ich denke, sie werden Ihr Verlaufen nicht melden.« Erneut zuckte er auf diese lässige Art die Schultern. Bedeutete das, er hatte mich in gewisser Weise … beschützt?
»Und woher wussten Sie, dass ich …« … zu Julien wollte »… was ich vorhatte?«
Er räusperte sich. »Ich hatte vor, Ihnen das Kloster zu zeigen, so wie Fürst Radu vorgeschlagen hatte«, gestand er dann. »Da ich keine Antwort bekam, als ich an Ihre Tür klopfte, habe ich mich auf die Suche gemacht – wie gesagt: Ich habe den Ausdruck in Ihrem Gesicht gesehen, als Sie hörten, was geschehen war – und hatte einen entsprechenden Verdacht, was Sie möglicherweise zu tun beabsichtigten. Leider war ich ein paar Minuten zu spät, um Sie noch abfangen zu können, aber letztlich ja trotzdem noch rechtzeitig.« Nur aus dem Augenwinkel sah er mich an. »Ich wollte Sie einfach nur ein wenig von Ihren sicherlich trüben Gedanken ablenken. – Ich hoffe, Sie können mir meine … Aufdringlichkeit verzeihen?«
Julien hatte gesagt, er respektiere Olek Nareszky. Ich konnte ihn gut verstehen. – Nun, nein, genau genommen nicht nur verstehen. So verrückt es mir selbst erschien – immerhin war er einer der vom Rat auserkorenen Heiratskandidaten für mich: Ich mochte ihn. Ich konnte es nicht ändern. Ich mochte Olek Nareszky. Spontan streckte ich ihm die Hand hin. Die Bewegung war alles andere als anmutig. »Ich weiß nicht, ob sich so etwas schickt, aber mein Vorname ist Dawn.«
Ein wenig verblüfft schaute er eine Sekunde auf meine Hand. Als er sie ergriff, war wieder dieses verschmitzte Grinsen auf seinen Zügen. »Ich weiß. – Olek.« Doch anstatt sie zu schütteln, hob er sie zu einem perfekten Handkuss an seine Lippen.
»Ich weiß.« Ich versuchte sein Lächeln zu erwidern. Es gelang mir nicht ganz.
»Bedeutet das, du verzeihst mir, Dawn ?« Er gab meine Hand wieder frei und neigte den Kopf.
»Ich denke, ich sollte viel eher Danke sagen, nicht wahr, Olek ? Und besonders nett war ich auch nicht …«
»In Anbetracht der Umstände durchaus verständlich. – Aber vielleicht erlaubst du mir jetzt doch, dich ein wenig herumzuführen? Natürlich nur, wenn es dir wieder gut genug …« Er verstumme abrupt, als ein klarer und zugleich durchdringender Glockenton durch die Gänge hallte. Seine Miene wurde hart.
»Was ist?« Plötzlich saß in meinem Inneren wieder ein Zittern.
»Sie rufen den Rat zum Tribunal zusammen. Der Prozess gegen Julien beginnt.« Sein Blick war nicht zu deuten.
Einen Moment lang starrte ich ihn einfach nur an. Natürlich. Der Mönch hatte ja zu Vlad und Radu gesagt, dass ein Glockenschlag den Rat später zusammenrufen würde. In der nächsten Sekunde kam der Schrecken.
»Jetzt? Die Sonne ist aufgegangen. Julien ist …« Das Vampir wollte nicht über meine Lippen.
Olek nickte dennoch. »Das ist für die Fürsten ohne Bedeutung. Deswegen werden sie nicht warten, bis sie wieder untergegangen ist.«
Ich presste die Handflächen gegeneinander. Hatte ich etwas anderes erwartet? Das Wohlergehen eines Vampirs war ihnen gleichgültig. Allmählich begann ich
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