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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Kehle noch mehr zu. – Aber es war nur für eine kurze Weile. Nur bis ich nach Sonnenaufgang die Möglichkeit hatte, lange genug allein zu sein; lange genug, um ihm zu folgen. Und die ganze Zeit schien sich das Fläschchen in meiner Hosentasche tiefer in meine Haut hineinzubrennen. Ohne dass ich gewusst hätte, wie ich Julien etwas davon sagen sollte.
    In der Ferne schlug eine Glocke, dunkler als die, die zur Ratssitzung gerufen hatte.
    »Es ist nicht mehr lang.« Ich machte beinah einen Satz in seinem Arm, als Julien unvermittelt in die Stille hinein sprach, nachdem ihr Ton verhallt war.
    »Woher …« Meine Stimme klang spröde, störrisch schüttelte ich den Kopf. »Nein, wir haben noch Zeit.« Er wusste so gut wie ich, dass ich log, immerhin war er ebenso in der Lage zu sagen, wie lange die Nacht noch dauern würde.
    Juliens Hand strich sacht über die Haut in meinem Nacken. »Das war die Totenglocke. Sie schlägt erst ein Mal, dann zwei Mal – und wenn sie zehn Mal schlägt, kommen sie mich holen.« Seine Finger verharrten einen winzigen Moment, ehe sie ihre Bewegung wieder aufnahmen. »Dawn, wenn …«
    »Nein! Nein, ich … ich habe …« Die Worte platzten aus mir heraus und dennoch wollte das »Gift« nicht über meine Lippen. Stattdessen zerrte ich das Fläschchen hastig aus meiner Hosentasche und gab es ihm in die Hände, plötzlich voller Angst, zu lange gewartet zu haben. Er starrte darauf, drehte es, hielt es ins schwache Licht. Zum ersten Mal sah ich, dass es aus Glas war, sah die farblose Flüssigkeit in seinem Inneren.
    »Was ist das?« Julien klang angespannt.
    Ich schluckte. »Gift.« Jetzt war es doch heraus.
    Ganz langsam wandte er den Blick von dem Fläschchen, richtete ihn auf mich. »Woher …«
    Genau die Frage, die ich nicht beantworten konnte. Ich schüttelte den Kopf. »Ich will nicht, dass sie dich töten, aber ich kann es nicht ändern. Also habe ich … Wenn ich es schon nicht verhindern kann, dann … dann lass mich wenigstens dafür sorgen, dass … dass … Er hat gesagt, es wirkt schnell. Du wärst … du würdest es nicht mehr erleben, dass die Sonne aufgeht.« Ich plapperte. Ich wusste es, aber ich konnte nicht anders.
    Juliens Augen weiteten sich. »Gift?«, wiederholte er fassungslos. Sein Blick zuckte zur Tür, kehrte zu mir zurück. »Weißt du, was darauf steht, wenn das herauskommt? Der Rat würde dich gnadenlos zum Tode verurteilen. Das … Nein! Ich werde es nicht nehmen.« Er versuchte es mir in die Hand zu drücken. »Steck es wieder weg.«
    Ich zog sie hastig zurück, versteckte sie hinter meinem Rücken. »Woher sollen sie wissen, dass du es von mir hast?«
    Julien stieß ein hartes Lachen aus. »Weil das außer dir niemand für mich tun würde? Weil du die Letzte gewesen sein wirst, die bei mir war? – Such dir etwas davon aus.«
    »Er hat gesagt, du sollst es erst kurz bevor sie dich holen nehmen. Dann würde niemand Verdacht schöpfen.« Sein Blick huschte zur Geige – glaubte er, dass ich das Gift von Vlad hatte? Vielleicht war es gut so. »Bitte, Julien.« Ich griff nach seiner Hand, versuchte seine Finger um das Fläschchen zu schließen. Sie waren kalt. Und bebten. Er ließ es nicht zu.
    »Dawn …«
    Die Glocke schlug zwei Mal.
    »Julien, bitte! Ich will nicht, dass du so …« Meine Stimme zitterte plötzlich, »dass du bei lebendigem Leibe verbrennst.«
    Stumm starrte er auf das Fläschchen. Sekunde um Sekunde um Sekunde – bis diesmal er den Kopf schüttelte.
    »Dawn, nein.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Nein, das … ich weiß, was du … dass du mir dieses … Ende ersparen wolltest, und dich danke dir, aber … Nein. Ich werde es nicht nehmen.«
    »Warum nicht?« Ich versuchte nicht mehr, meine Verzweiflung vor ihm zu verstecken. »Sie werden nicht herausfinden, dass ich es war, und selbst wenn …« Wäre es mir egal.
    Bedächtig holte er Atem. »Weil alles, was sie mir gelassen haben, meine Ehre ist«, sagte er leise.
    Ich fuhr zurück, als hätte er mich geschlagen. »Das ist nicht dein Ernst?«
    Sekundenlang blickte er abermals schweigend auf das Fläschchen, dann sah er langsam auf und mich an. »Ich weiß, dass du das nicht verstehst …«
    »Ja. Ja, du hast recht. Ich verstehe es nicht. Und … ich will es auch gar nicht verstehen. – Ehre!« Mit einem bitteren Laut schüttelte ich den Kopf. »O ja, jeder hier spricht davon. Sie alle sind so entsetzlich peinlich auf ihre Ehre bedacht. – Aber soll ich dir was sagen: Das ist

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