Das Blut Des Daemons
ignorierte das Wanken in meinem Kopf.
»Jul-«
»Ich hoffe, du bist zufrieden.« Die Worte waren schwer von Hass – und Qual.
Nein, nicht Julien. Adrien!
»Wo ist Julien?« Meine Stimme zitterte.
»Was glaubst du wohl? Die Sonne geht gerade auf. Hörst du die Schreie nicht?« Er sah mich nicht an. »Ich hoffe, du bist zufrieden.«
Nein! Nein, ich hörte keine Schreie. – Und er konnte sie auch nicht hören! Gérard hatte mir versprochen … er hatte es versprochen !
»Mein Bruder war außer sich vor Angst, als du vor seinen Augen zusammengebrochen bist. Und er dich nicht erreichen konnte. Er hat laut genug gebrüllt, dass die Wachen im oberen Korridor ihn gehört haben. Dass ich ihn gehört habe.« Erst jetzt nahm er den Blick von der Treppe. »Ich musste ihm schwören, dich an seiner statt zu beschützen. Erhat sich gegen sie gewehrt, bis ich es ihm bei meinem Blut geschworen hatte. Erst dann ist er mit ihnen gegangen.« Seine Hände waren zu Fäusten geballt. »Ich sollte dort oben sein. In der Sonne. Ich sollte bei ihm sein. Ihn nicht mit ihnen alleinlassen. – Stattdessen bin ich hier !« Er machte einen Schritt in die Zelle hinein. Die Augen auf mir, schwarz vor Hass! »Hörst du seine Schreie? Bist du zufrieden?« Er packte mich bei den Armen, holte mich so dicht heran, dass ich seinen Atem in meinem Gesicht spürte. Wann war ich aufgestanden und auf ihn zugegangen? Seine Fänge waren spitz und scharf. »Hörst du ihn? Ich hoffe, du vergisst sie niemals.«
»Das kann nicht sein«, flüsterte ich. Er hat es mir versprochen! Es durfte nicht sein. Aber meine Sinne waren wieder nur die eines Menschen. Dass ich nichts hörte, bedeutete nicht, dass da tatsächlich nichts war. Adriens Griff wurde härter.
»Was? Glaubst du, bei lebendigem Leibe zu verbrennen ist kein elender, grausamer Tod? Glaubst du, es ist wie in den Filmen? Puff, und es ist vorbei und man ist nur noch Asche? O nein! Nein! Ich wünschte, es wäre so. – Du hörst ihn tatsächlich nicht, was? Hier …« Er zog mich vorwärts, die Stufen hinauf, so schnell, dass ich immer wieder stolperte. Tritt um Tritt. In einen anderen Gang, kahl, schmal. Ich stieß mit der Schulter gegen die Wand. Nein, nein, nein! Adrien musste sich irren. Bitte, lieber Gott! Er muss sich irren. Er hat es versprochen! »Hörst du es jetzt?« Er blieb keine Sekunde stehen. Ich starrte ihn an. »Nein?« Er zerrte mich weiter. Durch eine schwere Holztür. »Hörst du ihn jetzt? – Herr im Himmel, lass es doch endlich vorbei sein!«
Auch wenn ich noch immer nichts hörte … »Er hat es versprochen. Er hat versprochen, Julien wäre tot, bis die Sonne aufgehen würde«, die Worte brachen aus mir heraus, beinah ein Schluchzen.
Adrien hatte mich weiterschleifen wollen, jetzt fuhr er zu mir herum. »Wer hat …? Was?«
»Gift. Er sagte, Julien wäre tot, wenn die Sonne aufgeht. Das war der Deal. Er hat es mir versprochen!«
»Du hast … Wer?«
»Gérard.« Wieder brachte ich nicht mehr als ein Flüstern zustande.
»Gér-« Adrien sah mich an. Schock, Grauen, Qual, Hass, all das war in seinen Augen. »Du vertraust ausgerechnet ihm?« Sein Griff wurde noch härter. »O mein Gott, jetzt weiß ich, warum er kaum einen Ton herausbrachte, als er mich anbettelte, auf dich aufzupassen. Schmerz! Es war Schmerz, nicht Angst. – Du dummes Stück. Du elendes, dummes Stück. Ich hätte dich umbringen sollen!«
»Er hat es versprochen.«
Adrien schüttelte den Kopf, ein bitteres, verzweifeltes Lächeln auf den Lippen. »Und warum lebt mein Bruder dann immer noch?« Ein Ruck an meinem Arm, dann stolperte ich wieder neben ihm her. »Komm, nur noch ein kleines Stück, dann musst selbst du ihn hören.« Wieder ging es über Stufen nach oben. Wieder eine Biegung – und schließlich hörte ich sie auch: Schreie! Nein, keine Schreie; Laute – Laute, zu denen ein menschliches Wesen niemals fähig sein konnte. Die jetzt mit jedem Schritt gellender zu werden schienen. Nackte Qual, die jenseits des Erträglichen war. Kreischen – das unvermittelt abbrach. Adrien stockte mitten im Schritt. Ich stolperte weiter, in der ersten Sekunde ohne zu begreifen, dass er mich losgelassen hatte.
Er sah an mir vorbei, seine Augen plötzlich blicklos. »Dieu merci!«, hörte ich ihn murmeln.
Ich starrte ihn an. Nein! – NeinNeinNeinNeinNeinNEIN!! Wie eine Wahnsinnige stürmte ich die Stufen hinauf, um eine weitere Biegung, weitere Stufen, durch die Tür amEnde. Die Sonne blendete mich, brannte auf
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